Good vibes only?
Es gibt Schlimmeres. Wurden Sie schon einmal mit diesem Satz getröstet, als es Ihnen schlecht ergangen ist und Sie Kummer hatten? Oder hat jemand in Ihre Verzweiflung hinein den folgenden Satz gesagt? Kopf hoch! Das wird schon wieder.
Es könnte sein, dass da bei Ihrem Gegenüber nicht nur eine gewisse Unbeholfenheit in Sachen «Trösten», sondern auch eine toxische Positivität vorliegt. Das heisst, dass eine Person versucht, alles positiv zu deuten und immer optimistisch zu sein und dass sie deshalb negative Gefühle und Gedanken ausblendet und beiseiteschiebt.
Auf der einen Seite wissen wir: Wer mit einem positiven Blick durchs Leben geht, hat viele Vorteile. Studien deuten darauf hin, dass Optimisten eine grössere Zufriedenheit verspüren, mit einem gesünderen Herzen leben und eine höhere Lebenerwartung haben. Auf der anderen Seite ist klar: das gilt nur dann, wenn der Optimismus nicht toxisch wird und wenn einem «good vibes only» nicht übergestülpt werden. Von anderen Menschen verordnete Zuversicht kann nämlich dazu führen, dass das Leid, das eine Person gerade durchlebt, relativiert wird.
Dabei gehören «bad vibes», schlechte Zeiten und Momente, in denen man glaubt, es gehe nicht weiter, zum Leben dazu. In den Psalmen des Alten Testaments wird dies ganz selbstverständlich ausgelebt. Rund ein Drittel aller Psalmen sind sogenannte Klagepsalmen, in denen Beterinnen und Beter ihr Elend, ihre Verlassenheit, ihre Sorgen, ihren Schmerz, ihre Not herausrufen und alles ihrem Gott vor die Füsse werfen. Dabei wenden sie sich nicht ab von Gott, sondern erfahren gerade in der Klage Trost und Zuversicht. Sie erkennen: Auch wenn zur Zeit alles echt hart ist, Gott lässt mich nicht fallen.