Gottes herrlicher Hintern
Von Gott soll man sich kein Bild machen, heisst es. Und doch tun wir es: In der Kunst und auch in unserem Sprechen über Gott. Wahrscheinlich geht es gar nicht ohne.
Wenigen ist bekannt, dass der grosse Künstler Michelangelo sogar ein Bild von Gottes Hintern geschaffen hat. Und dies in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan!
Da sehen wir Gott also beim Erschaffen von Sonne, Mond und den Pflanzen. Rechts mit entschlossenem Antlitz, links aber… mit nacktem Hintern. Ein ziemlicher Tabubruch, oder?

Im Ersten Testament gibt es eine Szene, in der Moses Gott bittet, er möge ihn doch seine Herrlichkeit sehen lassen (2. Mose 33, 18 – 23). Gott antwortet, einem Menschen sei es nicht möglich, seine/ihre Herrlichkeit zu sehen, ohne zu sterben. Gott werde jedoch an Moses vorüberziehen und dabei die Hand zum Schutz über ihn halten. «Dann werde ich meine Hand wegziehen, und du wirst hinter mir her sehen. Mein Angesicht aber wird nicht zu sehen sein.» Die hebräische Formulierung «hinter mir her sehen» lautet wörtlich «mein Hinten» oder «meine hinteren Teile» sehen. Also auch den Hintern?
In Seelsorgegesprächen fragen manchmal Menschen, die in einer Lebenskrise stecken, wo Gott in alledem sei, oder was der Sinn dieser Krise sei. Ich denke dann oft an diese Moses-Erzählung: Erst im Nachhinein können wir in manchen Lebensabschnitten einen Sinn erkennen. Und erst im Rückblick können wir vielleicht von einer Krise sagen, sie habe uns weitergebracht – und darin eventuell das Wirken Gottes erkennen. Wir sehen Gott immer nur hinterher. Erkennen hie und da Spuren.
Gut möglich, dass Michelangelo dies im Kopf hatte, als er Gottes herrlichen Hintern malte.
Abb: Michelangelo, Die Erschaffung von Sonne, Mond und Pflanzen, Sixtinische Kapelle, Rom, 1508 – 12. Wikimedia Commons