Herzkönig IV.
Kennen sie die mittlerweile fast schon legendären Status geniessende altrussische Legende vom vierten König? Im 20. Jahrhundert ist die Geschichte zu einer Inspirationsquelle für Kunstschaffende aller Art avanciert: Edzart Schaper hat die Legende zu einem Roman verarbeitet, Ivan Gantschev hat ein entzückendes Kinderbuch dazu illustriert, Ulrich Gasser ein Oratorium komponiert und Peter von Gunten hat den Stoff verfilmt.
Die Faszination und der Reiz der Erzählung liegt wohl darin, dass sie den Kern der jesuanischen Botschaft in grösstmöglicher Verdichtung bildhaft und schlicht zur Sprache bringt. Anbei nun die Legende in Kurzfassung:
Wie die anderen drei hatte auch der vierte König den Stern über Bethlehem leuchten sehen. Doch er kam stets zu spät an den Ort, an dem er Jesus vermutete, denn immer wieder wurde er unterwegs von Armen und Bedürftigen aufgehalten, die ihn um Hilfe baten. Nachdem er Jesus dreißig Jahre lang durch Ägypten, Galiläa und Judäa gefolgt war, erreichte der König Jerusalem – doch auch hier war er wieder zu spät. Das Jesuskind war inzwischen erwachsen, und der König traf erst am Tag seiner Kreuzigung ein. Der vierte König hatte Perlen gekauft, um sie Jesus zu schenken – doch dann hatte er sie wieder verkauft, um denen zu helfen, denen er unterwegs begegnete. Eine einzige Perle war ihm geblieben, doch der Erlöser war bereits tot. „Ich bin gescheitert“, dachte der König. Da vernahm er eine Stimme: „Ganz im Gegenteil. Du bist dein ganzes Leben lang bei mir gewesen. Als ich nackt war, hast du mich bekleidet. Als ich hungrig war, hast du mich gespeist. Als ich gefangen war, hast du mich besucht. Ich war in jeder Seele, die dir auf deinem Weg begegnet ist. Ich danke dir für all die aus deinem gütigen Herzen stammenden Geschenke der Liebe.“
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