Hölle hier

Fast alle in Zürich kennen es, das «Höllentor» von Auguste Rodin neben dem Eingang des Kunsthauses. Aber kaum jemand weiss wirklich, worum es bei diesem Werk geht. Eigentlich handelt es sich gar nicht um ein Tor zur Hölle, sondern um eine Darstellung der Hölle selbst. Nur dass die ziemlich seltsam ist: Hier kommen keine Teufel und Dämonen vor, die Sünder*innen quälen. Und an der Stelle, wo bei Darstellungen des Jüngsten Gerichts Christus oder der Erzengel Michael über die Menschen richten, sitzt ein grübelnder Denker. Auch gibt es keine Paradiesdarstellung als Gegenpart zur Verdammnis.

Rodin hat an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die Hölle ins Diesseits verlegt. Seine Aussage: Die menschliche Existenz ist die Hölle! Zu erkennen sind Menschen, die hinterrücks in die Tiefe fallen, sich hilfesuchend an einen anderen klammern, verzweifelt auf allen vieren kriechen, sich nach jemand anderem ausstrecken, ohne ihn oder sie zu erreichen. Was in der mythischen Vorstellungswelt der Bibel als jenseitige Strafe für die Sünden erwartet wurde, erkennen wir seit der Moderne als Zustandsbeschreibung dieser Welt. Vielmehr: Als etwas, das wir in uns selbst tragen! Wir können Opfer höllischer Zustände werden. Wir tragen aber auch das Potential in uns, anderen die Hölle zu bereiten. Das Abgründige, Destruktive gehört zu uns.

Gibt es Erlösung? Es gibt das Gesehenwerden, das Erkanntwerden durch Mitmenschen. Es gibt die Kraft der Liebe. Und es gibt das Vertrauen auf ein Erkanntwerden durch Gott. Hilde Domin hat von solcher Erlösung in ihrem Gedicht «Es gibt dich» (Hilde Domin, Ich will dich, Gedichte, 1970) geschrieben:

Dein Ort ist/ wo Augen dich ansehen./ Wo sich Augen treffen/ entstehst du./
Von einem Ruf gehalten,/ immer die gleiche Stimme,/ es scheint nur eine zu geben
mit der alle rufen./ Du fielest,/ aber du fällst nicht./ Augen fangen dich auf./ Es gibt dich/ weil Augen dich wollen,/ dich ansehen und sagen/ dass es dich gibt.

Abbildung: Auguste Rodin, Höllentor, 1880 – 1917, Kunsthaus Zürich, Zürich. Foto: Roland zh, 2011, Wikimedia Commons