Horror vacui
Während meines Theologiestudiums lernte ich verschiedene Religionen kennen und dabei wuchs in mir das Interesse an der spirituellen Praxis des Meditierens. Es ging eine Faszination davon aus, mich ganz im Hier und Jetzt einzufinden ohne mich mit Inhalten oder Gedanken zu beschäftigen. Beim Üben der Meditation stiess ich immer wieder auf unangenehme Gefühle, auf eine Langeweile und eine innere Leere, die mir Angst machte; es war mein geistiger «horror vacui», mein Schrecken vor der Leere, dem ich da begegnete.
Der französische Gelehrte Blaise Pascal beschrieb es so: «Nichts ist so unerträglich für den Menschen, als sich in einer vollkommenen Ruhe zu befinden, ohne Leidenschaft, ohne Geschäfte, ohne Zerstreuung, ohne Beschäftigung. Er wird dann sein Nichts fühlen, seine Preisgegebenheit, seine Unzulänglichkeit, seine Abhängigkeit, seine Ohnmacht, seine Leere. Unaufhörlich wird aus dem Grund seiner Seele der Ennui aufsteigen, die Schwärze, die Traurigkeit, der Kummer, der Verzicht, die Verzweiflung.»
Dem «horror vacui» versuchte ich, mit allen möglichen Mitteln aus dem Weg zu gehen, mit meiner Geschäftigkeit, mit neuen Hobbys und mit Geschichten, die ich konsumiere oder in meinem Kopfkino selbst kreiere. Und mit dem Smartphone besitze ich ein ideales Ablenkungsmittel, das mich überallhin begleitet.
Trotzdem – oder gerade deswegen – will ich das Meditieren nicht lassen. Es lehrt mich etwas über mich selbst: auf welche Weise ich Dinge vermeide, wie ablenkbar mein Geist ist, wie ungeduldig ich oft bin, und dass es dahinter noch ganz anderes zu entdecken gibt. Meditieren lehrt mich auch, dem Unangenehmen nicht auszuweichen, es vielmehr da sein zu lassen und es in Ruhe zu betrachten. Die Aufmerksamkeit kann vieles entschärfen. Meinen Schrecken vor der Leere verwandelte sie in interessierte Offenheit. Meditieren wurde mir sogar zu einer Quelle von Gotteserkenntnis. Doch das muss Thema eines anderen Weg-Wortes sein.