Ich und Du

«Alles wirkliche Leben ist Begegnung». Dieser Satz bildet gleichsam das Kristallisationszentrum des Denkens und Schaffens des grossen jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber, der vergangene Woche, am 13. Juni vor 60 Jahren in Jerusalem verstorben ist. Sein Name steht für Dialog, Beziehung und Verständigung. In seinem 1923 erschienenen Buch «Ich und Du» erhebt er das Gespräch zum Grundprinzip menschlicher Existenz. Dies mit dem unschlagbaren Argument, dass der Mensch erst am Du zum Ich werde. 

Durch alle Schriften Bubers zieht sich der Gedanke der Verantwortung des Menschen für sein Gegenüber, sein Du. Der Begriff Dialog bleibt aber nicht allein auf die menschliche Begegnung beschränkt. Er umfasst ebenso sehr die Weise, wie wir der Welt der Dinge begegnen, zu ihr in Beziehung treten, uns von ihr ansprechen lassen und auf sie antworten. Dasselbe gilt von der Gottesbegegnung. Sie vollzieht sich im intimen Raum des Zwiegesprächs. Sprechender und Hörender sind dabei Teile eines untrennbaren Resonanzgeschehens.

Gegründet ist diese Sicht in der für das Judentum typischen Auffassung von der «Schöpfung» als einem Sprachgeschehen. So etwa heisst es in Psalm 33,6: «Durch das Wort des Herrn sind die Himmel gemacht und durch den Hauch seines Mundes ihr ganzes Heer.» Der Schöpfungsakt Gottes ist also Sprachakt, Ruf, Anruf, Aufruf. In jeder Situation seines Lebens wird der Mensch angesprochen, vom anderen, von der Welt, von Gott, den Buber das «ewige Du» des Menschen nennt. Wer Ohren hat, der höre – und antworte.

Das Aufzeigen des dialogischen Geschehens zwischen Mensch und Mensch, Mensch und Welt, Mensch und Gott gehört zum bleibenden Vermächtnis des «homo religiosus» Martin Buber.

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