Im Himmel laufen

Momentan werden ja wieder tausende von Paradiesen entdeckt: Urlaubsparadiese! Wenn ich diesen Begriff auf Google eingebe, erscheinen lauter Fotos von Palmenstränden mit blauem Himmel und türkisfarbenem Meer. Unter Paradies scheinen wir uns also etwas sehr Idyllisches, scheinbar Unberührtes vorzustellen. In Wahrheit ist es dann aber nichts anderes als eine künstliche Ferienfassade.

Genährt werden solche Wunschbilder durchaus von der biblischen Schilderung des Paradieses. Dort ist es jener ideale Ursprungsort der Menschen, in dem sie im Einklang mit der Natur und mit Gott lebten, und aus dem sie des Sündenfalles wegen vertrieben wurden. In der Bibel bezeichnet das Paradies aber auch den Ort, auf den wir nach dem Tode hoffen. Beschrieben wird er auf unterschiedliche Weise: Zum Beispiel als Schoss Abrahams, in dem wir ruhen (Lukas 16,22), oder als neue Schöpfung mit einem neuen, himmlischen Jerusalem. Dort wird es kein Leid, keine Tränen und keinen Tod mehr geben (Offenbarung 21).

Und wie werden wir Menschen dort sein? Engelsgleiche Wesen, schwerelos und schwebend? Seelen, die von den Gesetzen der Physik befreit sind?

Die eindrücklichste Vorstellung der Existenz im Paradies habe ich vor Jahren von einer schwer körperbehinderten Frau gehört, die zeit ihres Lebens im Rollstuhl gesessen hat. «Im Himmel kann ich dann laufen» war ihre klare Hoffnung.

Paradies nicht als künstliche Strandidylle in den Ferien, sondern als Gegenentwurf, als konkrete Vision gegen die manchmal unerträglichen Zumutungen des Lebens. So ernst genommen hat das Paradies auch eine politische Dimension. Zustände, die man sich anders vorstellen kann, kann man manchmal auch ändern. Das Paradies auf Erden können wir nicht schaffen. Aber uns in seine Richtung bewegen, das schon.

Abb: Gustave Caillebotte, Gehender Mann in blauer Jacke, 1884, im Privatbesitz. Wikimedia Commons