Ins Gesicht geschlagen

Das heutige Gast-Weg-Wort unter dem Motto «Am Hauptbahnhof erlebt» stammt von Valeria Gut, die in einer Apotheke im Hauptbahnhof arbeitet.

Einmal kam ein Mann zu uns in die Apotheke; mit abgetragenen und fleckigen Kleidern. Ich konnte ihm ansehen, dass er sicher einige Tage und Nächte auf der Strasse verbracht hatte. Ein Auge war blutunterlaufen und geschwollen, und eine grosse, frisch genähte Wunde zog sich über seine Stirn. Er muss Schreckliches erlebt haben. Jemand hatte ihn mitten ins Gesicht geschlagen. Welch Brutalität! Die Gewalt, die ihm angetan wurde, machte mich zutiefst betroffen.

Der Mann fragte nach einer Creme für sein Auge. Eine passende war schnell gefunden. Es galt, sie sehr vorsichtig aufzutragen, damit das Auge und die Naht nicht verletzt werden. Ich konnte spüren, wie sehr sich der Mann freute, dass wir ihn nicht nach seinem Aussehen beurteilten, sondern ihm halfen, so gut wir konnten. Seine Wunde konnten wir ein wenig versorgen, aber wir mussten ihn trotzdem zurückgehenlassen in seine schlimme Situation. Als Christin hat mich das wahnsinnig berührt. Wenn ein Mensch schon von anderen keine Hilfe bekommt, dann muss doch von oben Hilfe kommen! Als er die Apotheke verliess, wünschte ich ihm in Gedanken «Behüte dich Gott».

Viel Gutes in unserem Leben nehmen wir als selbstverständlich wahr und richten stattdessen die Aufmerksamkeit auf das, was uns fehlt. Wenn wir dankbar sind für das, was wir haben, sind wir auch bereit den anderen zu helfen.

Quelle: pixabay