Ist das Gott oder kann das weg?
In der Freitagsausgabe des Weg-Wortes äussern sich derzeit Mitarbeitende der Bahnhofkirche zum Thema „Gott, wie ich ihn/sie sehe“. Der heutige Beitrag stammt vom reformierten Seelsorger Pfarrer Matthias Berger.
Im Lauf meines Lebens hat sich mein Gottesverständnis vielfach gewandelt. Viel von dem, was ich mal glaubte, kann heute weg, weil ich es nicht mehr mit Gott in Verbindung bringe. Etwa die Vorstellung, Gott greife unmittelbar ins Weltgeschehen ein, oder Gott habe den Opfertod von Jesus gebraucht, um sich mit uns Menschen versöhnen zu können.
So ist Gott in meinem Leben abgespeckt worden und steht klein und schlank vor mir.
Was mich heute vor allem bewegt: Das Leben im Diesseits und die Liebe zu ihm. Die ist allerdings auch ohne den Glauben an Gott zu haben.
Aber das dürfte dem abgespeckten Gott gerade recht sein. Nach christlicher Vorstellung ist Gott Mensch geworden und hat sich uns in Jesus zugänglich gemacht. Wenn Gott sich aber dermassen in die Welt verliebt hat, dass er gleich Mensch wird, dann brauche ich auch nicht mehr als genau dies zu tun: Mensch sein und die Welt lieben.
Im Hintergrund meines Lebens gibt es also dieses christlich gestimmte Gottesrauschen, aus dem ich immer mal Sätze aufschnappe wie: Die Welt ist nicht sinnlos, sie ist gut. Oder: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir.
Das nehme ich persönlich.
Natürlich kann ich nichts von alledem beweisen. Gott ist keine Tatsache. Aber so manche:r Philosoph:in würde einwenden, dass ziemlich alles, woraus wir leben und was uns bedeutsam ist, nicht auf Tatsachen beruht, sondern gedanklich, sprachlich konstruiert ist. (Der Begriff hierfür lautet «Konstruktivismus»).
Ich kann Gott weder be-weisen noch nach-weisen, aber der Glaube er-weist sich mir als gut. Er verleiht mir – oft, aber nicht immer – ein Grundvertrauen und Gelassenheit.
Das ist Gott für mich. Und vieles andere kann weg.
Abb: Jean Renut, Le Christ, 2001, Kirche Saint-Valery, Varengeville-sur-Mer, Frankreich. Foto: Privat