Jede auf ihre Weise und aneinander vorbei
«Meine Mutter: Ich liebte sie auf meine Weise, aber sie wollte auf die ihre geliebt sein.»
Bertolt Brecht, der vor 125 Jahren – am 10. Februar 1898 – geboren wurde und dem in den letzten Wochen bereits zwei Weg-Worte gewidmet waren, hat diesen Satz 1920 in seinem Tagebuch notiert.
Er bringt einen komplexen Sachverhalt genial auf den Punkt! Menschen können sich lieben und doch verfehlen.
Dies geschieht vor allem dann, wenn die Liebe an bestimmte Erwartungen geknüpft ist, wie es die Aussage «…aber sie wollte auf die ihre geliebt sein» nahelegt.
Liebe ist selten selbstlos. In irgendeiner Ecke unseres Bewusstseins haben wir idealisierende Bilder, wie das eigene Kind oder die Lebenspartnerin sein sollten; oder ungestillte Sehnsüchte, die wir auf das Gegenüber projizieren: Was das Kind an unserer Stelle erreichen, der Ehemann für uns tun sollte, weil wir es – vermeintlich – nicht selbst können.
So können zwar ganz starke Liebesgefühle füreinander da sein, aber sehr viel anderes, das der Beziehung im Weg steht.
Manchmal gelingt es, sich dieser Hindernisse bewusst zu werden und einen hilfreichen Umgang mit ihnen zu finden, sodass die Beziehung trotzdem glückt.
Und manchmal bleibt es, wie Brecht sagt: Jede:r liebt den/die andere auf seine/ihre Weise – und so lieben sie aneinander vorbei.
Abb: Bertolt Brecht, 1954, Deutsches Bundesarchiv, Bild 183-W0619-307 / CC-BY-SA 3.0. Foto: Jörg Kolbe