Jegliches Wetter
Hatten Sie in Ihrer Kindheit oder Jugendzeit auch ein Poesiealbum, dass Sie an Freunde und Schulkameradinnen weitergaben, um es mit einem Spruch, Gedicht oder einer Zeichnung zurückzubekommen? Einen Satz fand ich quasi in jedem Poesiealbum, das ich jemals in Händen hielt Er lautet: «Mach es wie die Sonnenuhr: Zähl die heit’ren Stunden nur!»
Heute ist Sommersonnwende. Wir erleben in unseren Breitengraden den höchsten Sonnenstand im Jahr, die längste helle Tageszeit und die kürzeste Nacht. Von nun an wird die Sonne nicht mehr so hoch steigen, und während die Hell-Phasen der Tage kontinuierlich abnehmen, werden sich die Nächte wieder ausdehnen.
Astronomisch gesehen gilt die Sommersonnwende als Anfang des Sommers, der bis zur Herbst-Tagundnachtgleiche dauern wird. Es ist damit zu rechnen, dass die Tage noch heisser werden, dass es Hochdruckperioden mit viel Sonne und auch heftige Sommergewitter geben wird.
Der Wendepunkt im Juni weist auf Verschiedenes, auf Anfang und Ende, auf die Erwartung sonniger Ferien, auf das Bedauern über die wieder zunehmende Dunkelheit, in Zeiten des Klimawandels wohl auch auf die Befürchtung, die Natur könnte es mit den heiteren Stunden allzu gut meinen.
Die Sonnwende ist auch ein Hinweis auf den wiederkehrenden Zyklus der Jahreszeiten, in dem jeder Teil eine Funktion und einen Sinn hat, auch die weniger freundlichen Zeiten. Ein Vers im Sonnengesang des Franziskus singt davon: «Gelobt seist du, mein Gott, durch Bruder Wind und durch Luft und Wolken und heiteres und jegliches Wetter.» Das wäre doch ein Motto in einem Poesiealbum und mehr noch für den Zyklus meines eigenen Lebens.