Kafka und die Puppe

Heute vor 100 Jahren starb der Schriftsteller Franz Kafka nur einen Monat vor seinem 41. Geburtstag. Sein Herz wollte nicht mehr schlagen, das durch eine Tuberkuloseerkrankung sehr in Mitleidenschaft gezogen worden war. Obwohl Kafka nur 40 Jahre alt wurde, gilt er als einer der einflussreichsten Schriftsteller überhaupt. Mit seinem fragenden Blick auf die für ihn unverständliche Welt erschuf er mitunter recht düstere Literatur, die sich mit Themen wie Autorität, Entfremdung, Identität und Existenzangst beschäftigt. Es ist sogar ein Begriff in unseren Wortschatz gewandert, der sich von seinem Namen ableitet: kafkaesk. Es beschreibt ein Gefühl, das entsteht, wenn eine Situation absurd, surreal, rätselhaft und deshalb unheimlich und bedrohlich wirkt.

Doch so düster sah es in Kafka selbst nicht immer aus. Von ihm ist eine wunderschöne Geschichte überliefert, die sich so zugetragen haben soll. In seiner Zeit in Berlin traf er in einem Park ein kleines Mädchen, das weinte, weil sie ihre Lieblingspuppe verloren hatte. Trotz gemeinsamer Suche war die Puppe unauffindbar. Kafka wollte das kleine Mädchen trösten und begann daraufhin Briefe zu verfassen, die aus der Sicht der Puppe geschrieben waren. Sie wäre auf Reisen gegangen, weil sie eine Luftveränderung bräuchte. Und so folgte Brief auf Brief. Kafka verfasste sie abends und las sie am nächsten Tag dem Mädchen vor. Kurz vor seinem Tod schenkte Kafka dem Mädchen eine Puppe, die er selbst besorgt hatte. Weil sie der Lieblingspuppe des Mädchens natürlich nicht besonders ähnlichsah, las Kafka aus einem der Briefe vor: «Meine Reisen, sie haben mich verändert.» So konnte das Mädchen diese Puppe in die Arme schliessen und als die ihre annehmen.

Es heisst, dass das Mädchen viele Jahre später eine Botschaft fand, die Kafka in den Hohlraum der Puppe hineingelegt hatte. Auf einem winzigen Zettel stand geschrieben: «Alles was du liebst, geht wahrscheinlich verloren, aber am Ende wird die Liebe auf eine andere Art zurückkehren.»