Kirchenglocken

Bildquelle: wikimedia commons

Samstagabend, ich bin zufällig in Zürich, in einem Aussenquartier, Tram-Endstation. Um 19 Uhr beginnt ein spezielles Abendkonzert: Kirchenglocken läuten, und dies nicht nur von einer Kirche. Ich lege alles weg, sitze und lausche.

Und plötzlich kommt die Erinnerung, es ist rund 20 Jahre her. Silvester in Sambia, ich habe Besuch aus der Schweiz und um Mitternacht klingelt das Telefon. Der Partner des Besuchs meldet sich, was für eine Freude. Und plötzlich höre ich sie, die Kirchenglocken durch das Telefon. Ich wusste gar nicht, dass ich diese Töne vermisst habe. Mir kullern Tränen über die Wangen. Heimatgefühl?!

Was lösen Kirchenglocken bei Ihnen aus? Was löst bei Ihnen Heimatgefühl aus? Vielleicht, wenn Sie Ihren Hausberg sehen? Oder wenn Sie jemanden in Ihrem Dialekt sprechen hören? Wenn Sie in die vertraute Strasse einbiegen, wo Ihre Wohnung ist? Wenn Sie beim Einkaufen im Laden mit dem Namen angesprochen werden?

Ich hätte nie gedacht, dass Kirchenglocken bei mir so etwas auslösen könnten. Ich weiss, dass in Zürich bei der Frage nach der Religionszugehörigkeit der grösste Anteil «keine Religion» angibt, gefolgt von den Katholikinnen und Katholiken.

Und trotzdem sind am Samstagabend die Kirchenglocken unüberhörbar!

Und trotzdem beginnt die Bundesverfassung mit folgender Präambel:

«Im Namen Gottes des Allmächtigen!
Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Ein­heit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegen­über den künftigen Generationen, gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Vol­kes sich misst am Wohl der Schwachen, geben sich folgende Verfassung:»

Ich bin stolz auf dieses «christliches Vorwort» in unserer Verfassung. Die Kirchenglocken rufen mir die gegenseitige Rücksichtnahme und die Verantwortung in Erinnerung. DANKE!