…konnten selber nicht freundlich sein

Der deutsche Dichter Bertolt Brecht ist vor 125 Jahren geboren worden.
1939, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, schrieb er das Gedicht «An die Nachgeborenen». Dort liest man:

«Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut/ In der wir untergegangen sind/ Gedenkt/ Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht/ Auch der finsteren Zeit/ Der ihr entronnen seid.»

Und später:

«Ach, wir/ Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit/ Konnten selber nicht freundlich sein.

Ihr aber, wenn es soweit sein wird/ Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist/ Gedenkt unsrer/ Mit Nachsicht.“

Brecht war ein Kämpfer gegen Ausbeutung, die Herrschaft des Kapitals und gegen das nationalsozialistische Regime Hitlers.

Das Gedicht zeigt, dass die Katastrophe der Judenverfolgung und des Krieges, die 1939 über die Welt hereinbrach, schmerzhafte und resignative Spuren beim Dichter hinterlässt. Er spricht von Schwächen und von Scheitern. So bleibt ihm nur, die Nachgeborenen um Nachsicht zu bitten.

Wir – fast 100 Jahre danach – sehen uns konfrontiert mit ertrinkenden Flüchtenden im Mittelmeer, mit einer Klimakatastrophe nie dagewesenen Ausmasses, mit einem brutalen Angriffskrieg in Europa.
In vielem empfinde ich es ganz ähnlich: Wir versuchen zu reagieren, zu protestieren zu agitieren – und erleben dabei unsere Schwächen. Wir wollen Lebensfreundlichkeit und sind oft selber unfreundlich dem Leben gegenüber.
Manchmal denke ich: Hoffentlich werden die Menschen nach uns auch mit Nachsicht auf unser Tun und Unterlassen blicken. Und: Auch sie werden wiederum ihren Herausforderungen begegnen, versuchen, „dem Menschen Helfer“ zu sein – und es nicht immer schaffen…

Abb: Bertolt Brecht, 1954, Deutsches Bundesarchiv, Bild 183-W0409-300 / Kolbe, Jörg / CC BY-SA 3.0 DE. Foto: Jörg Kolbe