Kostbares Geschenk

Zurzeit besuche ich einem Kurs für Achtsamkeit und lerne dort mit anderen Teilnehmenden verschiedene Formen von Meditation, welche die Bewusstheit für eigene Körpersignale schärfen und Stress reduzieren können.

Heute wurde im Kurs eine spezielle Übung angeleitet, eine Art Experiment. Jeweils zu zweit setzten wir uns zusammen, und während die eine Person eine Begebenheit aus ihrem Leben erzählte, hörte die andere Person aufmerksam zu. Nach zwei Minuten änderte sich die Anweisung: Während der erzählende Teil mit seiner Geschichte fortfahren sollte, wurde der andere aufgefordert, die Aufmerksamkeit nun auf alles andere, nur nicht auf den Erzählenden zu richten. Nach zwei weiteren Minuten wechselten die Rollen.

Gehört werden tut gut! Bildquelle: www.pixabay.com

Bei den Teilnehmenden löste die Übung so einiges aus. Erzählende schilderten, wie sie sich mit einem Schlag nicht mehr ernst genommen und respektiert fühlten, als sie so ins Leere sprachen, wie es ihnen plötzlich schwerfiel, überhaupt noch Sätze zu formulieren, und wie ihre Worte mehr und mehr an Tiefe und Bedeutung verloren. In der anderen Rolle spürten viele ebenfalls die Respektlosigkeit des Nicht-Zuhörens, fühlten sich unwohl dabei oder schämten sich sogar.

Die Übung führte mir vor Augen, welch kostbarer Schatz unsere ungeteilte Aufmerksamkeit ist. Sie ist etwas vom Besten, was wir einander schenken können. Sie kostet uns kein Geld, einfach etwas Zeit. Einander ohne Vorurteile zuhören, sich gehört und respektiert fühlen, das halte ich für entscheidende Zutaten eines friedvollen Miteinanders, im Kleinen unserer persönlichen Begegnungen ebenso wie im Grossen des weltpolitischen Geschehens. Dass ich während meiner Arbeit in der Bahnhofkirche dieses Geschenk der Aufmerksamkeit immer wieder machen darf, erfüllt mich mit Dankbarkeit.