Männersegen
Während längerer Zeit hatte ich am Spiegel meines Badezimmers eine Karte befestigt. Jeden Morgen beim Aufstehen sah ich sie. Sie zeigte zwei Männer am Meer. Der eine, offensichtlich ältere, legte dem jüngeren, der übers Meer hinausblickte, seine Hand auf die Schulter.
Kitschig? Vielleicht. Dennoch hat mir die dargestellte Szene damals gutgetan. In der klaren und doch zärtlichen Berührung lag für mich Kraft und Bestärkung, die ein Stück weit auf mich übersprang. Etwas genuin Väterliches lag in dem Kontakt zwischen älterem und jüngerem Mann. Als ob hier die liebevolle, bestätigende männliche Energie eines Vaters an seinen Sohn weitergegeben würde.
Ich empfand die Szene auch als Bild des Segens: Die lebensfördernden Kräfte, die in mir liegen, habe ich mir nur zum Teil selbst erarbeitet. Das meiste ist mir von anderen vermittelt worden. Letztlich – darauf setze ich – verdanken wir alles Aufbauende und Heilsame dem Urgrund des Lebens, Gott. Wir geben vom einen zur andern weiter, was uns geschenkt wurde und sich in uns neu geformt hat.
Abb: Ingeborg Hunzinger, Vater mit Kind (Ausschnitt), 1958, Müggelpark, Berlin. Foto: OTFW, 2019, wikimedia commons