Mist! Nur Mist?

Ich wohne auf dem Land. Da wird an einschlägigen Tagen wacker gegüllt und Mist geführt. Gülle und Mist stinken. Doch sie tun dies, allem Anschein nach, nicht allein um ihret-, sondern um eines höheren Nutzen willen. Sie düngen und nähren unsere Böden.

Mist! – Das ist aber auch das Wort, das unseren Lippen gerne entfleucht, wenn wir Mist gebaut, sprich einen Fehler oder eine Sünde begangen haben.

Die ältere Generation hat die Kirche oft als Institution erlebt, die ihnen vornehmlich ihre Sündhaftigkeit und Verderbtheit vor Augen hielt. Also musste man Busse und Beichte tun, um den beleidigten Gott wieder freundlich zu stimmen. Anders die Mystiker unter den Theologen. Sie verstanden die unausweichliche Schuldhaftigkeit des Menschen als Chance auf dem Weg zu tieferer Selbsterkenntnis. Wer seine Schuld erkennt und bekennt, wer zu seinen Fehlern und Abirrungen steht und sie wirklich bereut, dem werden sie zur „felix culpa“, zur glücklichen Schuld.

Der Mystiker Johannes Tauler (14. Jhdt.) bringt dazu einen herrlichen Vergleich: Das Pferd macht Mist in den Stall, und obwohl der Mist einen Unflat und Stank an sich hat, so zieht doch dasselbe Pferd seinen Mist mit großer Mühe auf das Feld; und daraus wachsen der edle schöne Weizen und der süße Wein, die niemals wüchsen, wäre der Mist nicht da. Nun, dein Mist, das sind deine eigenen Mängel, die du nicht beseitigen, nicht überwinden noch ablegen kannst. Die trage mit Mühe und Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in rechter Gelassenheit deines Selbst. Streue deinen Mist auf dieses edle Feld, daraus sprießt ohne allen Zweifel in demütiger Gelassenheit edle, wonnigliche Frucht auf.