Mit Herz am Puls der Zeit

«Talent: mittelmässig; Urteilsfähigkeit: mittelmässig; Klugheit: wenig; Lebenserfahrung: mittelmässig; Charakter: melancholisch, ernst» Der Mann, dem dieses nicht sehr schmeichelhafte Zeugnis ausgestellt wurde, war Petrus Claver, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der neuen Welt wirkte. Mit 15 Jahren bereits entschied er sich, in den Jesuitenorden einzutreten, mit 25 Jahren zog es ihn nach Lateinamerika und schliesslich nach Cartagena in Kolumbien.

Diese Stadt war damals einer der wichtigsten Umschlagplätze eines aufstrebenden Wirtschaftszweigs, nämlich des Sklavenhandels, der den aus dem Boden schiessenden überseeischen Plantagen Arbeitskräfte zuführte. In dieser Branche gab es viel Geld zu verdienen, und wie so oft blieb dabei die Mitmenschlichkeit auf der Strecke.

Bronzestatue des Petrus Claver von Enrique Grau in Cartagena, Kolumbien; Bildquelle: Wikimedia Commons

Petrus Claver sah die Not und Leiden der aus Afrika geraubten Menschen. Jeden Monat, wenn ein Schiff mit hunderten von Sklaven anlegte, brachte er ihnen Nahrung und Kleidung, spendete Aufmerksamkeit und Trost. Kranke pflegte er im Hospital, besuchte Inhaftierte in den Gefängnissen und es heisst, er habe sogar geflohene Sklaven in den Sümpfen besucht, um sie zu ermutigen.

Gewiss, Petrus Claver lehnte sich nicht grundsätzlich gegen das menschenverachtende System des Sklavenhandels auf, doch ein Kollaborateur war er deswegen nicht. Vielmehr versuchte er mit dem, was ihm gegeben war, etwas mehr Herz und Menschlichkeit denen zukommen zu lassen, die unter die Räder kamen. Das anfänglich zitierte Zeugnis, das aus der Zentrale der Jesuiten in Rom stammt, geht so weiter: «apostolisches Talent: für die Predigt und die Arbeit unter den Sklaven; spirituelle Gabe: bestmöglich». Glaube und Spiritualität erweisen sich an den Taten, und die Geschichte des Petrus Claver regt mich an zu fragen, wo ich heute etwas mehr Herz und Zuwendung hineinbringen kann.