Mit weichem Griff
«Du musst dich bloss mehr anstrengen!» Haben Sie diesen Ausspruch nach einem misslungenen Versuch auch schon zu hören bekommen? Vermutlich wollte das Gegenüber Sie vor allem dazu motivieren, dranzubleiben und nach vorne zu schauen. So gutgemeint dieser Aufruf auch sein mag, erfüllt er doch in den seltensten Fällen seine beabsichtigte Wirkung. Eher trifft eine andere Aussage zu, welche mir neulich begegnet ist: «Wer sich dauernd anstrengt, wird vor allem lernen sich anzustrengen.»
Es ist nun mehr als ein Jahrzehnt her, dass ich mich meiner Höhenangst stellen und das Klettern erlernen wollte. Dazu buchte ich einen Kurs in der Kletterhalle, wo ich verschiedene Knoten, das Abseilen und Sichern sowie das richtige Fallen lernte. Besonders nachhaltig blieb mir folgender Rat in Erinnerung: «Wenn ihr euch an einem Vorsprung festhaltet, dann macht das nicht mit grossem Kraftaufwand. Verwendet dazu einen weichen Griff.» Durch diesen Hinweis fühlte ich mich ertappt – sogar über das Klettern hinaus. Mir wurde klar, wie oft ich meine Kraft und Anstrengung unachtsam und übermässig einsetze, insbesondere wenn ich etwas unbedingt erreichen will. Doch Anspannung führt eher zur Verkrampfung als zum angestrebten Ziel.
«Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und euch spät erst niedersetzt, um das Brot der Mühsal zu essen; was recht ist, gibt Gott denen, die er liebt, im Schlaf.» Was im Psalm 127 überspitzt daherkommt, hat einen bedenkenswerten Kern. Gerade wenn ich etwas Neues lerne, sind die Pausen, Ruhezeiten und der haushälterische Umgang mit meinen Energien mindestens ebenso wichtig wie die zielstrebige Anstrengung. So will ich meine Vorhaben im neuen Jahr ganz bewusst «mit weichem Griff» anpacken.