Neue Perspektiven, andere Prioritäten
Er gehört zu den bekanntesten Aussteigern der mittelalterlichen Geschichte. Franziskus von Assisi hatte das Glück, während der Umbrüche Ende des 12. Jahrhunderts in wohlhabenden Verhältnissen aufzuwachsen. Sein Vater war Tuchhändler und profitierte vom Siegeszug der Geldwirtschaft. Dessen beachtlichen Wohlstand benutzte auch der jugendliche Sohn nur zu gerne, um bei den ausschweifenden Partys seiner Generation im Mittelpunkt zu stehen. Die einträgliche Karriere von Franziskus als Kaufmann schien vorgezeichnet.
Der erfolgsverwöhnte junge Mann suchte das Abenteuer im Krieg gegen die Nachbarstadt Perugia. Dabei geriet er in Gefangenschaft, und dieser Schicksalsschlag liess ihn verändert heimkehren: Plötzlich sah er die Menschen auf der Verliererseite, nahm Geld vom Familienvermögen und unterstützte sie damit. Sein Vater wusste sich nicht anders zu helfen, als seinen Sohn zu verklagen. Franziskus sagte sich daraufhin vom irdischen Vater los und gab ihm sogar die Kleider zurück, die er anhatte.
Franziskus scheiterte damit, Armut durch Umverteilung zu bekämpfen. Also ging er noch weiter und machte die Armut zum Lebensideal: Besitzlosigkeit nicht als Elend, sondern als würdevolle Nachfolge Jesu. Sein Beispiel wirkte anziehend. Innerhalb weniger Jahre schlossen sich ihm viele junge Menschen an. Zu Franziskus‘ neuer Sichtweise gehören auch Zuwendung zu den Kreaturen der Schöpfung und Dialog mit Andersgläubigen für den Frieden.
Die Radikalität des Heiligen kann abschrecken oder ihn unerreichbar erscheinen lassen. Zugleich gilt sein Perspektivenwechsel auch heute: Loslassen von Materiellem wird zum Gewinn an Qualität. Verbundenheit mit der Natur und mit ihrem Schöpfer gehört zusammen. Unsere Kreativität kann eine Gesellschaft mit weniger Verlierern schaffen. Der heutige Festtag des heiligen Franziskus inspiriert uns, unsere Prioritäten zu überdenken.