Nie verlernen, was anfangen heisst

Zehn Tage jung ist nun das neue Jahr. Die Feste sind gefeiert, die Feuerwerke verglüht, die Champagnerflaschen entsorgt. Der Alltag hat uns wieder.

Ob die hehren Vorsätze des Neujahrstages auch schon verraucht sind wie die glitzernden Feuerwerksornamente am Himmel der Silvesternacht? „Träumen wird man ja noch dürfen!“ Auch dass Vorsätze kurze Sätze machen, wusste man eigentlich. Diese haben im Moment, da man sie schmiedet, halt ihren besonderen Reiz. Immerhin deuten sie mitten im Faktischen das noch Mögliche an. „Träume nicht dein Leben. Lebe deine Träume!“, der Satz soll jedenfalls auch dieses Jahr an der Pinwand hängen bleiben.

Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber hat einmal davon gesprochen, es gelte im Leben „nie zu verlernen, was anfangen heisst“. Das ist ein wahres wie weises Wort. Buber spricht nicht von Vorsätzen. Er braucht das bescheidenere Wort „anfangen“. Wohl weil er weiss, dass tiefgreifende Veränderungen in aller Regel nur geschehen, wenn man bereit ist, auch nach Rückschlägen immer wieder neu aufzustehen, so wie es uns das Kind im Laufgitter vormacht: Purzeln und wieder aufstehen. Von Friedrich Nietzsche stammt die kritisch kluge Erkenntnis: „Die grossen Veränderungen kommen auf Taubenfüsschen. Tauben aber haben kleine Füsschen.“

Also: Nie verlernen, was anfangen heisst, auch wenn es nur mit der winzigen Spanne eines Taubenfüsschens vorangeht. Immer wieder bereit sein aufzustehen und neu zu beginnen: Mit uns selbst, mit unseren Nächsten, mit Gott, mit der Welt. Und immer wieder hinter sich lassen, was sich nicht ändern lässt. Sich immer wieder ausstrecken nach neuen Himmeln und Horizonten. Dem Licht und dem Lauf der Sonne nachsegeln. Den Mut dazu schöpfe man aus dem Kraftfeld des Glaubens, die Zuversicht aus dem Vertrauen in Gottes Führung und Geleit.

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