Ohne Stützräder

Für das Fahrradfahren bekommen Kleinkinder oft ein Velo mit Stützrädern. Damit können sie schon nach kurzer Zeit ohne Angst vor dem Umfallen voll in die Pedale treten. Haben sie eine gewisse Sicherheit erreicht, dann ist der Moment gekommen, die Stützräder abzubauen, und die Kleinen frei fahren zu lassen, auch wenn es am Anfang noch wackelig geht und der ein oder andere Sturz nicht zu vermeiden ist.

Zehn Tage vor Pfingsten feiern wir das Auffahrtsfest bzw. Christi Himmelfahrt. An Pfingsten wurden die Schülerinnen und Schüler Jesu vom göttlichen Geist ergriffen, überwanden ihre Ängste und konnten danach Jesu Botschaft in alle Welt tragen. Für dieses wichtige Ereignis ist Auffahrt die notwendige Voraussetzung: der endgültige Abschied von der körperlichen Gegenwart des bewunderten Lehrers und Meisters.

Im Johannesevangelium lesen wir die erklärenden Worte Jesu: «Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden.» (16,7) Und er macht eine grosse Verheissung: «Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen und er wird noch grössere als diese vollbringen, denn ich gehe zum Vater.» (14,12)

Himmelfahrt ist für die, welche Jesus nachfolgen, quasi das Abbauen der Stützräder des Glaubens. Gewiss ist nicht Jesus die Stützkonstruktion, vielmehr die Abhängigkeit von Autorität. Wie oft habe ich als Seelsorger gehört: «Von Glaubensdingen habe ich keine Ahnung. Das überlasse ich euch Theologen.» Offenbar läuft bei der Weitergabe des Glaubens noch Einiges schief. Auffahrt und Pfingsten bedeutet Ermächtigung, die eigene Stimme mutig dort zu erheben, wo es notwendig erscheint, so wie es Jesus auch getan hat.