Original oder Kopie?

Im Mai vor 177 Jahren starb Alexandre Vinet, ein Schweizer Theologe, der die protestantische Theologie vor allem im französischsprachigen Raum massgeblich beeinflusst hat. Ihm wird ein Zitat zugeschrieben, das wohl schon zu seinen Lebzeiten eine Realität abgebildet hat und zugleich auf eindringliche Weise Aktualität in unserer heutigen Gesellschaft erlangt. «Alle Menschen werden als Originale geboren, aber die meisten sterben als Kopien.»

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Nun, diese Aussage mag etwas zugespitzt sein, aber dennoch macht sie deutlich, dass wir in unserem Leben Gefahr laufen, uns selbst zu verlieren (oder nicht einmal zu finden) und uns stattdessen dem Mainstream zu beugen und den Erwartungen anderer anzupassen.

Besonders augenscheinlich ist dies meiner Meinung nach in den sozialen Medien, wo das Kopieren geradezu zum guten Ton gehört: alle präsentieren die gleichen Tanzchoreographien, alle besuchen dieselben Hotspots, um das «eine» Foto oder Video zu machen, Lippen und andere Körperteile werden angepasst, um den gängigen Schönheitsidealen zu entsprechen. Originalität und die eigene Identität, persönliche Ecken und Kanten treten in den Hintergrund. Aus christlicher Perspektive jammerschade, denn eigentlich ist jeder Mensch ein von Gott gewolltes Unikat und darauf ausgelegt, sich im Laufe der Zeit zu eben dieser einmaligen, unverkennbaren Persönlichkeit zu entwickeln. Ich persönlich finde, dass das eine sehr viel schönere Perspektive ist, als sich bloss aufs «Kopieren» zu beschränken, wenngleich das Unikat-Sein auch herausfordert und ein lebenslanger Prozess bleibt.