Pläne zerreissen
Zerreiß deine Pläne. Sei klug
Und halte dich an Wunder.
Diese Worte sind Teil des Gedichts „Rezept“ der deutsch-jüdischen Dichterin Mascha Kaléko.
Die Sätze springen einen an mit ihren unkonventionellen Aufforderungen.
Pläne zerreissen? Das scheint unklug. Pläne sind doch wichtig! Und an Wunder kann man sich eigentlich nicht halten. Man verfügt nicht über sie. Sie geschehen unerwartet. Wie sollte ich mich an sie halten können?
Aber genau diese Absage an unsere herkömmliche Lebenslogik macht die Kraft der Worte aus. Sie setzen eine andere Logik dagegen. Eine, die befreiend klingt („Zerreiss deine Pläne“), die aber auch herausfordert. Mich an Wunder halten heisst nichts anderes, als mich dem Unerwartbaren auszusetzen und zu vertrauen, dass es gut kommt.
Mascha Kaléko emigrierte 1938 in die USA, nachdem Nazideutschland ihre Bücher verboten hatte. 1960 wanderte sie ihrem Mann zuliebe nach Israel aus, wo sie sprachlich und kulturell zur Fremden wurde. Sie erlebte die Tode ihres Sohnes und ihres Mannes.
Wem so viele Pläne zerrissen wurden und wer dennoch nicht aufgab, der mag man glauben, dass Wunder geschehen können. Kalékos Gedicht beginnt und endet mit den Zeilen:
Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.
Welch ein Wunder, wenn dies gelingt!
Abb: Mascha Kaléko, Portraitpostkarte, ca. 1935. Quelle: museum-digital rheinland. https://rheinland.museum-digital.de/object/21