Platz für Menschlichkeit

Sollen Religionen und Kirchen zu politischen Themen Stellung beziehen? Oder haben sie über die Angelegenheiten der Regierung und der Parteien zu schweigen und sich auf ihr «Kerngeschäft» zu beschränken? Diese Debatte entzündete sich erneut an einer Predigt, welche Bischöfin Mariann Edgar Budde am 21. Januar in der Washington National Cathedral hielt. An diesem interreligiösen Dankgottesdienst waren auch der aktuelle Präsident der USA und sein Vizepräsident anwesend.

Bischöfin Mariann Edgar Budde während der Predigt;
Bildquelle: Wikimedia Commons

Gegen Schluss ihrer Predigt wandte sich die Bischöfin direkt an den zum zweiten Mal gewählten Donald Trump und bat ihn um Barmherzigkeit und Rücksichtnahme ganz besonders für die Menschen, die nun um ihren Aufenthalt oder sogar ihr Leben fürchten müssten wie Angehörige sexueller Minderheiten und Immigranten mit ungeklärtem Status. Sie ersuchte den Präsidenten um Mitgefühl und freundliche Aufnahme für die Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung.

Mariann Edgar Budde beendete ihre Predigt mit den Worten: «Möge Gott uns die Kraft und den Mut schenken, die Würde jedes Menschen zu ehren, einander in Liebe die Wahrheit zu sagen und demütig miteinander und mit unserem Gott zu wandeln zum Wohle aller Menschen in dieser Nation und in der Welt.» Mit ihrer Predigt kehrt die Bischöfin die Perspektive um und fragt die politisch Verantwortlichen an: Wird der Menschlichkeit in den Entscheidungen genügend Gewicht und Platz eingeräumt? Diese Frage müssen sich nicht nur die Politikerinnen und Politiker gefallen lassen, die sich auf christliche Werte berufen. Mitmenschlichkeit und Solidarität sind Fundament jedes Gemeinwesens, das Bestand haben will. Auch unsere Verfassung weiss davon und sagt, «dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen».