Raum des Respekts
In der Bahnhofkirche habe ich es gerade wieder erlebt, dass ein intoleranter Christ im Raum der Stille missionieren wollte und sich abfällig über die Präsenz anderer Religionen ausliess. Manchmal werden sogar Weg-Worte zerrissen, weil gewisse Aussagen nicht dem eigenen Glaubensverständnis entsprechen. Mich stimmen solche Vorkommnisse traurig, gibt es doch in der Geschichte und an vielen Orten genügend Beispiele, dass es auch anders geht, dass Religionsgemeinschaften und Glaubensrichtungen friedlich miteinander leben und sogar einen fruchtbaren Austausch miteinander pflegen.
Gerade bin ich von einer Reise durch Südindien zurückgekommen und war dort erstaunt, dass neben den vielen hinduistischen Tempeln überall auch islamische und christliche Gotteshäuser, Schulen und Krankenhäuser zu sehen waren. Die Menschen, denen ich begegnet bin, haben stets respektvoll über die Angehörigen der anderen Religionen gesprochen. Gegenseitige Akzeptanz scheint hier eine Grundeinstellung zu sein.
Im September hat Papst Franziskus Singapur besucht und sprach dabei auch zu Jugendlichen. «Alle Religionen sind Wege zu Gott, wie verschiedene Sprachen, um zu ihm zu gelangen. Aber Gott ist für alle derselbe», erklärte er und betonte, wie wichtig Respekt und Offenheit in der Begegnung sind. Die Bahnhofkirche versteht sich als solch ein Raum des Respekts, und ich bin von Dankbarkeit erfüllt, dass die reformierte und die katholische Kirche von Zürich als Trägerinnen der Bahnhofskirche ganz hinter dieser Offenheit stehen. Menschen, die ihren christlichen Glauben nur exklusiv sehen können oder wollen, verdienen ebenfalls Respekt. Für sie gibt es zum Glück genügend andere Gebetsräume und Kirchen in der Stadt.