Reformiert!

Am Sonntag wird in der reformierten Kirche der Reformationssonntag gefeiert. Da ich dieser Konfession angehöre, erlaube ich mir, dazu ein Weg-Wort zu schreiben.

Der ehemalige Feuilletonchef der Neuen Zürcher Zeitung, Hanno Helbling, soll über den reformierten Gottesdienst einmal gesagt haben, dieser sei so etwas wie eine Erwachsenenbildungsveranstaltung, aber mit dem Nachteil, dass man auch noch singen müsse. Natürlich zielt Helbling auf die Wortlastigkeit in diesen Gottesdiensten mit ihren relativ langen Predigten ab, und auf die nüchterne Liturgie, die wenig Sinnlichkeit bietet, dafür aber einiges an Gesang.

Zudem klingt in dem Bonmot auch eine Kritik an der Rationalität der Predigt an, in der ja Themen des Glaubens nicht selten argumentativ und zuweilen durchaus kritisch behandelt werden.

Es ist unbestritten, dass diese Gottesdienstform heute eher wenige Menschen anspricht: Sie dauert zu lange und wird leider zu selten sorgfältig durchgeführt.

Dennoch stört mich die abwertende Pauschalisierung in der Aussage von Helbling.

Wir leben in einer Zeit, in der Religion wie schon lange nicht mehr zur Manipulation von Menschen eingesetzt und dazu benutzt wird, Konflikte anzuheizen und andere Menschen zu bekämpfen. Christlicher Fundamentalismus im US-Wahlkampf, islamistischer Terrorismus oder die Rolle der Russisch-Orthodoxen Kirche im Krieg gegen die Ukraine sind beredte Beispiele dafür.

Genau darum ist mir eine gesunde Skepsis gegenüber dem Emotionalen, vor allem aber dem Irrationalen im Glauben, ist mir ein kritisches Nachdenken über ihn ein hoher Wert. Eine gute Predigt leistet dies. Sie ist engagierte denkende Auseinandersetzung mit dem Evangelium. Sie ist – wenn sie gelingt – Wortkunst im Dienst des Glaubens.

Dass es dabei auch mal nüchtern wird, nehme ich gerne in Kauf!

Abb: Kanzel in der reformierten Kirche Jenins, Schweiz. Foto: Xenos. Wikimedia Commons