Runterkommen

Im 13. Kapitel des Johannesevangeliums wird erzählt, wie Jesus beim letzten Mahl vor seiner Verhaftung und Hinrichtung aufsteht und den Jüngern die Füsse wäscht. Petrus will das nicht geschehen lassen und ruft: «Nie und nimmer sollst du mir die Füsse waschen!»

Tatsächlich ist diese Handlung im damaligen Israel völlig daneben. Die Füsse anderer Menschen zu waschen, ist die Arbeit von Sklaven – und nur von ungläubigen, nicht-jüdischen. Oder es ist eine Ehrerbietung von Kindern ihrem Vater gegenüber. Oder von Schülern an ihrem Lehrer.

Was Jesus tut, ist die Umkehr der ordentlichen Verhältnisse: Er, der Lehrer, macht sich zum Schüler. Der erwachsene Mann zum Kind. Er, der jüdische Rabbi und Prophet, lässt sich auf die Ebene von ungläubigen Sklaven hinab.

„Das geht nicht!“ findet Petrus. „Doch“, meint Jesus und sagt: „Wenn ich dich nicht wasche, hast du nicht teil an mir.“

Anders gesagt: «Wenn du Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes haben willst, dann musst du runterkommen von der Idee, dass Gott und seine Lehrer und Propheten oben sind. Denn du hast es in mir mit einem heruntergekommenen Gott zu tun.»

Warum eigentlich sprechen wir vom Gottesdienst, wenn wir in der Kirche zusammenkommen? Weil wir Gott dienen? Umgekehrt entspricht es doch der Botschaft der Bibel: Gott kommt runter zu uns und dient uns. Spricht uns an, hört uns zu, berührt und bewegt uns.

Abb: Giotto, Fusswaschung, 1303/05, Cappella degli Scrovegni, Padua. Foto: José Luiz Bernardes Ribeiro, Wikimedia Commons