Schnee von gestern
Wie überrascht war ich, als nach der langen sonnigen und warmen Periode im März genau mit dem April die Kälte noch einmal einbrach, und es sogar im Flachland schneite. Obwohl ich ihn abgeschirmt hatte, bangte ich um den Basilikum, den ich kurz zuvor in eine Kiste auf meinem Fensterbrett gepflanzt hatte. Zum Glück hat er den Kälteschock bis jetzt gut überstanden.
Der April macht, was er will, so sagt man. Der Übergang der Jahreszeiten verläuft nicht gradlinig, sondern ist mit Turbulenzen und Wetterkapriolen verbunden. Inzwischen kehrt die Wärme wieder zurück und damit die Hoffnung, dass der Frühling nun dauerhaft Einzug hält. Beim Spazierengehen konnte ich mich an den milderen Temperaturen erfreuen, und an der Sonne, die durch die Wolken blinzelte. Unterwegs begegneten mir auch ein paar schmutzig weisse Schneeflecken an schattigeren Plätzen im Wald. Letzte Überbleibsel einer kurzen winterlichen Episode. Buchstäblich Schnee von gestern.
In Kirche und Gesellschaft entdecke ich seit einer Weile verschiedentlich Frühlingswetter: Menschen, die lieber miteinander statt gegeneinander handeln, die sich für den Respekt vor der Verschiedenheit und für den Schutz der Schöpfung einsetzen. Im Bistum Chur macht mir der neue „Verhaltenskodex zum Umgang mit Macht“ Hoffnung. Ich sehe darin das ernsthafte Bemühen, gegen missbräuchliche Verhaltensweisen und Strukturen vorzugehen.
Gesellschaftliche Aufbrüche verlaufen auch nicht gradlinig. Skepsis und Angst vor dem Neuen bremsen wie ein eisiger Gegenwind. Das Festhalten an alten Vorstellungen kann sogar gewaltförmig werden. Ich glaube an die Herzenswärme, die dem menschlichen und gesellschaftlichen Frühling Energie verleiht und alte Muster wegschmilzt wie die Sonne den Schnee von gestern.