Schöne Vergänglichkeit

Vor zwanzig Jahren wuchs neben der katholischen Kirche von Neuenhof im Aargau ein japanischer Blütenkirschbaum. Damals wirkte ich dort als Seelsorger. Um die Zeit der Erstkommunion herum stand der Baum jeweils in voller Blüte, und nicht selten strahlte er mit dem blauen Himmel um die Wette. Das Bild der Kinder in ihren langen Gewändern unter diesem Baum erscheint noch lebendig vor meinen Augen, und ich realisiere, wie sehr das üppige, rosa leuchtende Blütenmeer dazu beitrug, dass dieser Tag für die Familien ein ganz besonderer wurde.

Japanische Kirschblüten; Bildquelle: pixabay.com

Diese Erinnerung hilft mir zu verstehen, welch herausragende Bedeutung die Kirschblüten in Japan geniessen. Dort stehen sie im Mittelpunkt der Frühlingsfeierlichkeiten und sind so beliebt, dass sich die Menschen während der Kirschblütenzeit Ende März und Anfang April in Parks und Gärten treffen, um die Pracht der Blüten zu bewundern und gemeinsam unter den Bäumen zu picknicken und zu feiern.

Der japanische Blütenkirschbaum zeigt seine Pracht nur wenige Wochen, ein sinnenfälliges Symbol für Schönheit und Anmut – und zugleich für die Vergänglichkeit. Die Kirschblüte bringt auf den Punkt, wie untrennbar Freude und Traurigkeit, Fülle und Loslassen miteinander verbunden sind.

Von Erfahrungen des Verlusts werde ich und wird niemand verschont bleiben. Diese zarten rosa Gebilde sagen mir: Erfreue dich an dem Schönen, das dir im Leben begegnet. Halte deine Augen danach offen, wertschätze und geniesse diese Momente. Wenn dann die Zeit gekommen ist, dann lass das Liebgewonnene ohne Bitterkeit wieder gehen. Und lebe in der Gewissheit, dass Gott immer wieder neue Kirschblüten schenken wird.