Schon wieder kein Ende der Welt

Der Krieg in der Ukraine sei ein klares Indiz, dass wir uns in der Endzeit befänden und der Untergang dieser Welt bald komme, hat mir kürzlich jemand gesagt. Letztes Jahr was es jemand anderes, der in der Coronapandemie den Anfang vom Weltende erkennen wollte.

Mich hat das nicht überrascht. Ich bin mit solchem Denken erwachsen geworden. Als Jugendlicher stand ich eine Weile im Einfluss einer freikirchlich-fundamentalistischen Bewegung, die überzeugt war, dass mit der Gründung des Staates Israel 1948 die biblische Prophetie in Erfüllung gegangen sei und dass Jesus bald wiederkommen werde, um das im Buch der Offenbarung erwähnte Tausendjährige Friedensreich zu bringen. Die dort beschriebenen Kämpfe der satanischen Mächte gegen Gottes Erwählte wurden mit der Bedrohung Israels und der westlichen Welt durch die kommunistischen Staaten gleichgesetzt. Wahllos wurden biblische Länderbezeichnungen mit sozialistischen Nationen verbunden, und man ging sogar so weit, das Feuermal auf der Kopfhaut des sowjetischen Präsidenten Gorbatschow als „Malzeichen des Tieres“ in der Offenbarung zu deuten und ihn damit zur antichristlichen Macht zu erklären. Peinlich nur, dass ausgerechnet dieser Mann dann zwar nicht die ganze Welt, aber immerhin die kommunistische zum Einsturz brachte, damit aber jenem endzeitlichen Glaubensgebäude das Fundament entzog. Es wurde einfach nichts mit dem Weltende.

Aber das muss uns auch nicht überraschen, denn das apokalyptische Denken, welches der Erwartung einer Endzeit zugrunde liegt, ist biblisch gesehen ein spätes Randphänomen. Das frühe Alte Testament weiss davon nichts. Und auch das Neue Testament kommt teilweise ohne aus. Im Johannesevangelium z.B. ist das „Ewige Leben“ nichts, was erst am Ende der Zeit verliehen wird, sondern eine Seinsqualität, die ich durch die glaubende Hingabe an Jesus in meinem Hier und Jetzt erlange. Von daher kann ich Ihnen versichern: Es gibt schon wieder kein Ende der Welt.

Abbildung: Albrecht Dürer, Die vier apokalyptischen Reiter, 1497-1498, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. Foto: Notnarayan. Wikimedia Commons.