Schweigen und Hören
Der heutige Zustand der Welt, das ganze Leben ist krank. Wenn ich Arzt wäre und man mich fragte, was rätst du? Ich würde antworten: Schaffe Schweigen. Bringe die Menschen zum Schweigen. Gottes Wort kann so nicht gehört werden…
Man mag es kaum glauben, dass diese Zeilen vor 150 Jahren geschrieben worden sind. Verfasst hat sie der feinsinnige Religionsphilosoph Sören Kierkegaard. Sein unüberhörbarer Ruf an jeden, der die Stimme Gottes in sich vernehmen möchte: Schaffe Schweigen! Als Meister Eckhart, der bedeutendste Mystiker des Christentums gefragt wurde, was er denn tue oder lasse, um Gottes Wort zu vernehmen, antwortete er: „Ich sitze und schweige und höre, was Gott in mir rede.“
Wie aber lernen wir hören in einer alles übertönenden Welt? Unsere Seele nämlich spricht mit leiser, unaufdringlicher Stimme zu uns. Wer sie hören, erhören will, muss ihr sein volles Gehör schenken. Dies aber ist nur möglich durch zwischenzeitliche Abkehr vom Lärm der Welt und durch Einkehr in den Weltinnenraum der Stille und des Schweigens. So lehrt es uns auch Jesus. Immer wieder zieht er sich aus der Menschenmenge zurück, um allein und in Stille vor Gott zu treten und ihm fernab von allem weltlichen Treiben sein Ohr zu leihen. An solch einem Ort höre ich ihn, der seit Kindsbeinen mit dem Schatz des Ersten Testaments vertraut war, Worte des 62. Psalms nachsprechen:
Meine Seele sei stille zu Gott, der mir hilft. Er ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, dass ich gewiss nicht wanken werde. Sei drum stille zu Gott, meine Seele, denn er ist meine Hoffnung. Bei ihm allein finde ich Ruhe, Rettung und Heil.
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