Sich von Engeln abschotten
Seit 2019 findet sich auf dem Petersplatz in Rom eine neue Skulptur. Dabei handelt es sich um die erste Ergänzung des Platzes durch ein Kunstwerk seit der Renaissance. Geschaffen hat es der kanadische Bildhauer Timothy P. Schmalz.
Die Skulptur zeigt ein Boot, auf dem eine dicht gedrängte Masse von flüchtenden Menschen steht: Alte, Kinder, Afrikaner:innen, Europäer:innen. Klar erkennbar steht vorne auch ein jüdischer Mann. Es wird deutlich: Dem Künstler geht es nicht nur um die Flüchtenden unserer Gegenwart, sondern um die Tatsache, dass in der Geschichte immer wieder Menschen aus ihrer Heimat flüchten mussten, dass sich Menschen auf der Flucht grösster Gefahren aussetzen und oft ihr Leben verlieren.

An diesem Ort, wo sich jährlich Hunderttausende v.a. wegen seiner beeindruckenden architektonischen Gestaltung, dem prächtigen Petersdom oder der vatikanischen Kunstschätze einfinden, ist die Skulptur ein starkes Zeichen. Es weist auf die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Missstände in Geschichte und Gegenwart hin, die Menschen zur Flucht führen.
Aus der Mitte der Skulptur ragt ein Flügelpaar. Timothy Schmalz bezieht sich damit auf die Bibelstelle im Hebräerbrief 13,2: «Die Liebe zu denen, die euch fremd sind, aber vergesst nicht – so haben manche, ohne es zu wissen, Engel beherbergt.»
Die Menschen, die zu uns kommen, können sich als Engel erweisen. Welch herausfordernde Behauptung in einer Zeit massiv zunehmender Fremdenfeindlichkeit, in der unverhohlen von Remigration gesprochen wird! Sie besagt nicht weniger, als dass sich uns im fremden Menschen Gott offenbaren kann und wir uns deshalb etwas vergeben, wenn wir uns vor Geflüchteten abschotten.
Die Skulptur trägt den Titel «Angels Unawares». Zu Deutsch: Engel, ohne es zu wissen.
Abb: Timothy P. Schmalz, Angel Unawares, 2019, Petersplatz, Rom. Foto: Privat