So willkommen

Ich weiss nicht mehr, wie oft ich in den letzten Wochen in Schutzbunkern war und wie viele Tote ich gesehen habe. Es ist unvorstellbar, was sie unseren Frauen antun… darüber kann ich gar nicht reden.

Zu fünft sind wir geflüchtet, haben uns durchgeschlagen bis ans Meer in der Türkei. Und die ganze Zeit haben wir uns gefragt, wie wir es bloss übers Meer schaffen werden. Ich hatte eine riesige Angst vor dieser letzten Etappe der Flucht.

Was dann geschah, kann ich bis heute nicht fassen. Da waren diese Leute aus der Schweiz, die uns fragten, ob wir Flüchtlinge aus Syrien seien. Sie warnten uns vor dem Meerweg. Der sei extrem gefährlich. Sie waren mit Autos da und… sie nahmen uns mit. In die Schweiz! Wie staunte ich, dass die Grenzübertritte gar kein Problem waren. «Sie sind aus Syrien? Alles klar, Sie dürfen passieren. So schlimm, was in Ihrem Land gerade passiert.»

Als wir ankamen, gab es spezielle Empfangsstellen für uns. Da konnten wir uns registrieren, erhielten eine Mahlzeit und frische Kleider. Noch nie im Leben habe ich mich so willkommen gefühlt! Wir haben auch einen besonderen Ausweis erhalten, der uns erlaubt, uns frei im Land zu bewegen und Arbeit zu suchen. Und wir dürfen sogar gratis mit dem Zug fahren.

«Warum tut ihr das für uns?» habe ich meine Betreuerin gefragt. «Wir haben doch eine andere Religion und eine andere Kultur. Wir sind euch fremd.»

Da hat sie gesagt: «In unserer Verfassung heisst es, dass alle Menschen gleich sind. Niemand darf diskriminiert werden. Nicht wegen der Herkunft, der Rasse oder der Religion. Das nehmen wir ernst. Jede flüchtende Person wird gleichbehandelt.“

„Ja, solche schönen Formulierungen kenne ich. Die gibt’s bei uns auch“ entgegnete ich, „aber, dass sie wirklich ernst genommen werden, das ist ja wie im Traum.“

Foto: Drehscheibe Köln-Bonn Airport – Ankunft Flüchtlinge 27. September 2015, © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)