Subversives Flüstern

Im Ersten Testament wird die Geschichte des Propheten Elija erzählt. Elija ist ein energischer Fürsprecher Gottes in Israel. Und dies zu einer Zeit, in der der Glaube an diesen Gott im Volk und selbst im Königshaus verflacht, und zunehmend Götter umliegender Völker verehrt werden. Dies bringt Elija die Feindschaft der Königin Isebel ein. Sie droht ihm mit der Ermordung. Elija flieht in die Wüste und gelangt zum Gottesberg Choreb. Er übernachtet in einer Höhle. Dort vernimmt er Gottes Stimme, die ihn auffordert, hinauszutreten und sich vor Gott zu stellen. Ein gewaltiger Sturm braust an ihm vorüber, aber in dem Sturm ist Gott nicht. Ein Erdbeben ereignet sich, aber in dem Erdbeben ist Gott nicht. Dann bricht ein Feuer aus. Auch darin ist Gott nicht.

Für die Menschen im alten Israel, die die Geschichte hörten, war diese dreifache Verneinung von Gottes Gegenwart durchaus eine Provokation. Dass der starke und mächtige Schöpfergott sich in ebenso mächtigen Naturereignissen zeigt, war eine naheliegende Annahme. Wo denn sonst, wie denn sonst sollte Gott erlebbar sein, wenn nicht so?

Subversiv aber hängt sich ein kurzer Satz an das Ende des Textes: «Nach dem Feuer aber kam das Flüstern eines sanften Windhauchs.» Und lapidar wird festgestellt, dass Elija sein Gesicht verhüllt. Das Wort „Gott“ braucht es gar nicht mehr. Alles ist gesagt.

Man sollte Gott nicht mit Naturphänomenen verwechseln. Aber auch nicht mit spektakulären politischen Grossereignissen, die quasi-sakrale Atmosphären kreieren, oder mit durchinszenierten gottesdienstlichen Megaevents.

Gott flüstert sich uns zu, oft dann, wenn wir es nicht erwarten. Umhaucht uns so leis, dass wir es oft gar nicht merken.

Abb: Peter Weidemann in: Pfarrbriefservice.de