Surplus
Ich verdanke dieses Wort der Theologin Gunda Schneider-Flume: Surplus. Sie hat es verwendet, um auszudrücken, wie der Glaube die Wahrnehmung des Lebens verändern kann. Nämlich so: Ich lebe nicht, um irgendwelche Bedingungen zu erfüllen. Ich muss nicht in Beziehung, Familie und Beruf erfolgreich sein. Ich muss nicht fit und sportlich sein. Ich lebe, weil ich lebe, weil ich mein Leben verdanke; es Gott verdanke. Ich muss es mir also nicht verdienen. Ich darf es auskosten.
Erst kürzlich habe ich herausgefunden, dass der Begriff Surplus aus der Wirtschaft stammt. Im Duden heisst es dazu schnöde: «Substantiv, Neutrum. Gebrauch: Wirtschaft“. Und bei „Bedeutung“: „Überschuss, Gewinn».
Es handelt sich um eine Zusammensetzung der lateinischen Worte «super» (über) und «plus» (mehr). Also die Steigerung einer Steigerung: viel – mehr – übermehr = Surplus.
Wunderbar, dass Schneider-Flume den Begriff der Wirtschaft abgekupfert hat. Leben als Überschuss, als Gewinn, als Übermehr – und das erst noch geschenkt!
Als Reformierter komme ich aus einer Tradition, die Leben vor allem als fleissiges Arbeiten und Pflichterfüllung verstanden hat. Wer viel arbeitete, sich wenig gönnte und alles sparte, erwies sich als rechte:r Christ:in.
Das riecht aber eher nach Überleben als nach Leben. Jedenfalls nicht nach Surplus. Und: Dazu muss ich nicht glauben. Mich abmühen kann ich auch ohne Gott.
Nein, Glauben ist Luxus, der dem Leben ein Mehr hinzufügt, der mich dessen Schönheit erfassen und vielleicht auch feiern lässt!
Abb: Cayeux-sur-Mer, Frankreich. Foto: Privat