Trotzdem Ja zum Leben sagen

Mit Kranzniederlegungen, Gedenkgottesdiensten, feuilletonistischen Beiträgen und einer Vielzahl von Medienveranstaltungen wird in diesen Tagen der Befreiung des KZ Auschwitz von der bestialischen Herrschaft des Nazi-Regimes gedacht. Es sind zugleich Veranstaltungen «Wider das Vergessen». Das dunkle Wiedererstarken rechtsradikalen Gedankenguts in vielen Ländern Europas zeigt auf, wie wichtig und notwendig die Kultur des Erinnerns und der Widerstand gegen demokratiezersetzende Kräfte sind.

Als ich vor einigen Jahren das ehemalige KZ Buchenwald über der Stadt Weimar besucht und mit stockendem Atem an den Verbrennungsöfen vorbeigegangen bin, drängte sich mir nicht allein die Frage auf, wie Menschen Menschen so etwas antun können, sondern ebenso sehr, wie es Menschen möglich war, die Höllenqualen eines KZ überhaupt zu überleben. Eine mögliche Antwort fand ich im Buch «Trotzdem Ja zum Leben sagen» des österreichisch-jüdischen Psychiaters Viktor Frankl, der vier Vernichtungsstätten überlebt hatte. Auch erschloss mir die Lektüre den biblischen Satz «Stark wie der Tod ist die Liebe» ganz neu. Zudem erahne ich seitdem die gewaltige Kraft, die der Mut zum Sein und der Wille zum Sinn in uns zu entfalten vermag. Anbei eine der zahlreichen erschütternden wie berührenden Textpassagen:

«… inmitten erniedrigender Strafen sagte ein Gefangener: «Ach, wenn unsere Frauen uns so sehen würden!» Diese Worte brachten mir sofort das Gesicht meiner Frau in Erinnerung und katapultierten mich im selben Augenblick heraus aus dieser Hölle. Mein Lebenswille kehrte zurück und sagte mir, dass allein die Liebe den Menschen retten kann. Da befand ich mich in diesem Jammertal und war dennoch in der Lage, Gott zu verstehen, weil ich das Gesicht meiner geliebten Frau betrachten konnte. Der Wächter befahl uns allen, stehen zu bleiben, aber ich gehorchte nicht – denn ich war in diesem Augenblick nicht in der Hölle. Auch wenn ich nicht wissen konnte, ob meine Frau noch lebt oder schon tot war – in Gedanken ihr Gesicht anzuschauen gab mir Würde und Kraft zurück.»

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