(Um)Wege
Ich besichtige sehr gerne alte Klöster. Meist gefällt mir der Kreuzgang am besten. Dann stelle ich mir vor, wie viele Jahrhunderte lang Mönche oder Nonnen durch ihn geschritten sind, um ihren täglichen Verrichtungen nachzugehen.
Streng genommen ist der Kreuzgang ein Umweg, da er rechteckig angelegt ist. Oft wäre es viel kürzer, diagonal durch den Innenhof zu springen. Doch dieser «Umweg Kreuzgang», wurde ganz bewusst so angelegt und in den monastischen Alltag eingebaut. Idealerweise wurde die Wegstrecke genutzt, um Innenschau zu halten, zur Ruhe zu kommen oder um zu beten.
Die meisten Menschen haben keine Freude an Umwegen, wenn sie im geschäftigen Alltag unterwegs sind. Auch Umwege im Lebenslauf sind manchen unangenehm. James Joyce hat dazu einen Gedanken, der uns eine andere Sichtweise eröffnet: «Der längste Umweg ist der kürzeste Weg nach Hause.» Ja, vielleicht sind es gerade die Umwege, die uns Menschen besonders machen, auf denen wir unsere Charaktereigenschaften ausbilden und wo wir uns selbst und unserer Bestimmung bewusst werden.
Die Fasten- und Passionszeit kann eine besondere Form des Umwegs sein, finde ich. Der bewusste Verzicht auf eine geliebte Annehmlichkeit oder das Vorhaben, auf einen Aspekt des Lebens bewusster zu achten, kann sich wie ein Umweg anfühlen. Ein Umweg, der anstrengend sein kann, aber gleichzeitig eine ganz neue Perspektive auf das Leben, die Gottesbeziehung und das eigene Selbst ermöglicht.