Unähnlich

Lebensecht wirkt dieses Bildnis eines Lammes. Man möchte in sein dichtes Fell greifen, Weichheit und Wärme spüren, so nahe liegt es vor uns.

Ich kann das Bild als das nehmen, was es ist: Die Abbildung eines Lammes.  

Als christlich geprägte:r Betrachter:in stechen mir aber vielleicht die überkreuzt zusammengebundenen Beine ins Auge. Ein wehrloses, ausgeliefertes Lamm? Im Israel der biblischen Zeit wurden Lämmer als Opfertiere verwendet. Sie wurden zur Sühne für Verfehlungen in den Tempel gebracht und geschlachtet.

Deshalb wird Jesus auch als „Lamm Gottes“ bezeichnet: Sein Tod am Kreuz kann als Opfer gedeutet werden, durch das die Sünden der Menschen gesühnt werden. Und in der christlichen Kunst gibt es das verbreitete Motiv des verhafteten Jesus, der mit überkreuzt gefesselten Händen dasteht: Wehrlos und seinen Widersachern ausgeliefert…

Und tatsächlich trägt das Gemälde des Barockmalers Francisco de Zurbarán den Titel „Agnus Dei“, Lamm Gottes!

Im Weg-Wort vom Montag war zu lesen, dass Zurbarán sich intensiv mit der Darstellung von Jesus auseinandergesetzt hat. Mit der Frage z.B., was ein Bild von Jesus überhaupt ist und wo seine Grenzen liegen. In diese Auseinandersetzung gehört auch „Agnus Dei“. Der Künstler verzichtet hier ganz auf die Darstellung und wählt stattdessen ein Symbol. Ein Symbol zeichnet sich dadurch aus, dass es keine Ähnlichkeit mit der Sache hat, für die es steht. Es steht anstelle der Sache, auf die es hinweist.

So stellt der Maler die Frage: Was erfasse ich wirklich von Jesus, wenn ich eine Figur am Kreuz sehe? Kann ein Symbol vielleicht mehr über seine Bedeutung sagen als eine nur scheinbar „realistische“ Darstellung?

Abb: Francisco de Zurbarán, Agnus Dei, 1635 – 40, Museo del Prado, Madrid. © Museo Nacional del Prado