Unbehaglicher Trost

An einem Heiligabend in meiner Jugendzeit besuchten wir als Familie die Christnachtfeier. Ganz hinten sass ein alles andere als festlich gekleideter Mann. Mitten in der Feier begann er zuerst leise, dann immer lauter vor sich hin zu schimpfen. Irgendwann wurde der vermutlich angetrunkene Einsame vom Sigristen aus der Kirche gewiesen.

Bei uns löste das eine lebhafte Diskussion aus. Hatte man richtig gehandelt, weil der Mann die Feier gestört hatte? Oder war er im Gegenteil der lebendige Hinweis darauf, dass es an Weihnachten eigentlich um etwas ganz anderes geht als eine reichlich bürgerliche Behaglichkeit mit imposantem Weihnachtsbaum, feierlicher Musik und schönen Worten zu zelebrieren? Ging es nicht darum, sich um Menschen auf der Schattenseite des Lebens zu kümmern?

Zur diesjährigen Weihnacht hat die Bahnhofkirche einen Gruss einer Weg-Wort-Leserin erhalten, in dem folgender Satz des englischen Autors Gilbert Keith Chesterton zitiert wird: „Das Beste an Weihnachten ist, dass es ein bestürzendes und verstörendes Glück bedeutet. Es ist ein unbehaglicher Trost.“

Das Zitat trifft den Kern dessen, worum es in der Christnachtfeier vor vielen Jahren ging. Weihnachten ist für glaubende Menschen ein Glück und ein Trost, weil das Wunder der Menschwerdung Gottes in Jesus gefeiert wird. Und all die schönen Bräuche wie Adventskranz, Krippe und Lieder dienen dazu, dieses Wunder zu feiern und sinnlich zu vertiefen. Untrennbar damit verbunden ist jedoch die Tatsache, dass Gott laut biblischer Erzählung nicht irgendwie Mensch geworden ist, sondern in Armut und als Verfolgter.

Damit ist ein Stachel ins Glück und in den Trost des Glaubens gesetzt, der zu Recht unbehaglich und verstörend ist.
Der erinnert daran: Es fehlt etwas, wenn der Glaube zu heimelig und schön wird.

Abb: Obdachloser, schlafend, 2013. Foto: Sascha Kohlmann. flickr