Vergangenes loslassen
Tanzan und Ekido, zwei Mönche, waren einmal unterwegs auf einer Straße, die nach schweren Regenfällen tief verschlammt war. In der Nähe eines Dorfes begegneten sie einer jungen Frau, welche die Straße überqueren wollte, aber der Schlamm lag so tief, dass er ihren Seidenkimono verdorben hätte. Spontan hob Tanzan die Frau auf und trug sie auf die andere Seite. Danach gingen die Mönche schweigend weiter. Einige Stunden später, als sie sich dem Tempel näherten, konnte Ekido sich nicht länger beherrschen. „Wie nur konntest du die Frau über die Straße tragen! Du weißt doch, dass uns Mönchen die körperliche Berührung mit einer Frau verboten ist.“ Daraufhin antwortete Tanzan: „Ich habe die Frau vor Stunden schon abgesetzt, du aber trägst sie immer noch mit dir herum.“
Diese Geschichte aus der Zen-Tradition konfrontiert uns mit unser aller Schwierigkeit, Geschehenes und Vergangenes loszulassen, namentlich dann, wenn wir uns ungerecht behandelt, missverstanden, missachtet, sprich in unserem Ego verletzt fühlen. Dann tragen wir die Glut der quälend kreisenden Gedanken und des inneren Grolls wie Ekido mit uns herum, bunkern sie in unserem Speicherbewusstsein, von wo aus sie uns das Leben in der Gegenwart gründlich vergällen. Solange wir mit dem identifiziert bleiben, was war, sind wir unmöglich frei, dem in Offenheit zu begegnen, was ist. Immer verzerrt oder überlagert dann das Vergangene das Gegenwärtige. Mir fallen drei Dinge ein, die uns behilflich sein könnten, Altes loszulassen, um Neues zuzulassen: Verstehen, Verzeihen, Vergessen. Ein Dreisprung hinein in die Fülle gegenwärtigen Lebens.