Völlig losgelöst

«Völlig losgelöst» war 1982 ein Hit von Peter Schilling. Eine eingängige Melodie kommt da mit einem eigentümlichen Text zusammen. Dieser handelt vom Astronauten Major Tom, der mit seiner Rakete abhebt und völlig losgelöst von der Erde schwerelos im All schwebt. Dann registriert das Kontrollzentrum, dass die Raumkapsel vom Kurs abkommt und man Major Tom nicht mehr erreicht. Sein letzter Funkspruch ist ein Gruss an seine Frau. Er aber denkt sich: «Wenn die wüssten. Mich führt hier ein Licht durch das All. Das kennt ihr noch nicht, ich komme bald. Mir wird kalt.»

Das Lied spricht eine tiefe menschliche Sehnsucht an: Alles Schwere und Belastende ablegen zu können, in einen anderen Seinszustand einzutreten, der hell und frei ist. Und wer sich auch nur ein bisschen mit religiösen Texten auskennt, merkt: Dieser Song erzählt in einer religiösen Sprache von einer Transformation. Major Tom erlebt etwas, das jenseits der gewöhnlichen Vorstellungskraft liegt. Geführt durch ein geheimnisvolles Licht erfährt er eine Wandlung. Ihm wird kalt, als ob etwas stirbt. Gleichzeitig sagt er aber – obwohl er sich immer weiter von der Erde entfernt – «Ich komme bald». Wird er als Geläuterter, in neuer Gestalt, wie ein Messias, aus der Weite des Alls zurückkehren?

Gestern war Auffahrt. Der auferstandene Christus entschwebt in den Himmel, zu Gott. Auch seine Entrückung steht unter der Zusage, zurückzukehren. Im biblischen Text erscheinen zwei Engelgestalten, die den Anhänger:innen Jesu sagen: «Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird auf dieselbe Weise wiederkommen…» (Apostelgeschichte 1, 11). Die Engel weisen den Blick der Zurückgebliebenen vom Himmel weg. Nicht sie werden – völlig losgelöst – dorthin entschweben, sondern er wird zurückkommen. Sein wie ihr Ort ist die Erde.

Einer Spiritualität, die mich abheben lässt, fehlt die Bodenhaftung. Und mystische Erfahrungen göttlichen Lichts bleiben leer, wenn sie nicht zurück zu den Menschen führen.

Irgendwann wird Major Tom seine Frau vielleicht vermissen. Auch er will zurückkommen.

Abb: Ein Astronaut schwebt im All, 2016. Foto: PIRO4D. Quelle: pixabay