Vom Engel berührt
Advent, das ist auch die Zeit der Engel. In der Alten Pinakothek in München hängt das berühmte Gemälde «Die Verkündigung an Maria» des Renaissance-Meisters Fra Filippo Lippi (1406-1469). Es zeigt die im Lukasevangelium geschilderte intim-zarte Begegnung des Erzengels Gabriel mit der Jungfrau Maria. Diese hat aus der vor ihr liegenden Heiligen Schrift jenes Kapitel aus dem Buch Jesaja aufgeschlagen, das die Geschichte ihrer eigenen Bestimmung vorhersagt: Sie soll ein königliches Kind gebären, dessen Herrschaft nicht auf Angst und Gewalt, sondern auf Liebe und Frieden gründet.
Seit 2000 Jahren haben unzählige Künstler des Abendlandes in Kirchen und Kapellen dieser Szene Ausdruck zu verleihen versucht. Sie wollten, wie es scheint, dem Geheimnis nachgehen, wie unser Inneres von der göttlichen Wahrheit derart berührt und ergriffen werden könnte, dass es sich wandelt und vermenschlicht, so, dass sich das Wunder von Betlehem auch in der Krippe unseres Herzens vollziehen könnte. In den Worten des Mystikers Angelus Silesius: «Ach könnte nur dein Herz zu einer Krippe werden, Gott würde noch einmal ein Kind auf dieser Erden.» In der Tat, was nützt es uns und dieser Welt, wenn Christus zwar in Bethlehem, aber nicht in uns geboren wird? Noch einmal Angelus Silesius: «Wird Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir, so bleibst du dennoch tausendmal verloren.»
Damit dies geschehen kann, muss wohl auch uns der Engel Gabriel in der vollen Bedeutung seines Namens «Meine Kraft ist Gott» erscheinen. Es ist diese Geistkraft Gottes, die in uns Raum greifen und uns durchwirken muss, damit auch wir neugeboren werden.