Vom Winde verweht

Hans Rhyner verkauft Surprise und macht Soziale Stadtrundgänge, die bei uns in der Bahnhofkirche beginnen. Folgenden Text hat er in einem Workshop für das Strassenmagazin geschrieben.

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Ich muss ehrlich sagen, ich habe mich köstlich amüsiert, als der Böögg dieses Jahr nicht angezündet werden durfte. Weil es stürmte. Riesenaufregung. Grosses Desaster. Ich hätte es ihnen von Anfang an sagen können, aber mich haben sie ja nicht gefragt.

Ich bin in Elm aufgewachsen. Im hintersten Sernftal. Wo der Föhn bläst. Und wo mein Vater Nachtwächter war. Von abends 10 Uhr bis morgens 4 Uhr war er unterwegs. 1962 bis 1970. Auf seiner Tour gab es fünf Uhren-Posten zur Kontrolle, da musste er einen Schlüssel reinstecken, zum Zeichen, dass er da war. Ein Feuerhorn hatte er dabei und einen Knüppel. Als seine Herzprobleme begannen, übernahmen wir den Job. Mein älterer Bruder und ich, unsere Mutter begleitete uns. 13, 14 Jahre alt war ich da. Für uns gab’s ein gutes Trinkgeld. Morgens musste ich dann mit dem 6-Uhr-Zug wieder los zur Schule.

Bei den Touren ging es um die Sicherheit im Dorf, aber vor allem ging es um die Angst vor dem Feuer. Wenn der Föhn ging. Ich erinnere mich gut: Einmal kamen wir an einem Restaurant vorbei, vier Männer kamen heraus mit Brissagos und Pfeifen. Meine Mutter ermahnte sie, die Stumpen auszulöschen. Sie grinsten sie nur an und meinten, sie solle doch lieber dafür schauen, dass zuhause gekocht werde und die Hosen geflickt seien.

Das fiel mir wieder ein, als ich sie sah am Sechseläuten, die Männer auf den hohen Rössern und die Frauen am Rand, die den Männern Blumen geben dürfen, mehr nicht. Und sie hätten ja wirklich mich fragen können, wegen dem Wind. Ich ging an dem Tag wie so oft auf den Uetliberg. Leute um mich herum kommentierten das Desaster mit dem Böögg. Ich trank meinen Kaffee und lächelte still in mich hinein.