Vor einem und vor achtzig Jahren
«Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique „regieren“ zu lassen.»
Nein, dieser Satz stammt nicht von Alexei Nawalny oder einer/einem anderen Oppositionellen in Russland, der oder die sich gegen Putins Überfall auf die Ukraine wehrt.
Mit diesem Satz beginnt das erste Flugblatt, das die deutsche Widerstandsgruppe «Weisse Rose» im Sommer 1942 gegen das Hitlerregime veröffentlichte. Von den Erfahrungen an der Kriegsfront in Polen aufgerüttelt, entschieden sich die jungen Männer und Frauen, die Bevölkerung zum aktiven Widerstand aufzurufen.
Vor 80 Jahren, am 22. Februar 1943, wurden die drei Mitglieder Hans und Sophie Scholl und Christoph Probst hingerichtet, nachdem sie beim Verteilen der Flugblätter entdeckt worden waren. Drei weitere Mitglieder wurden im Sommer und Herbst getötet.
Heute, da sich der Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine jährt, soll mit den Worten der «Weissen Rose» an all die Menschen gedacht werden, die in Russland gegen diesen Krieg sind. Die Männer, die desertiert sind oder das Land verlassen haben, bevor sie eingezogen werden konnten. Die Fernsehjournalistin Marina Owsjannikowa, die mit einem Plakat vor laufender Kamera protestierte und andere, von denen wir gar nichts mitbekommen, weil ihr Widerstand unterdrückt wird und uns nicht erreicht. Menschen, die ihre Freiheit oder gar ihr Leben riskieren, weil sie sich nicht von der «verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique» um Putin regieren lassen wollen.
«Es lebe die Freiheit» waren Hans Scholls letzte Worte vor der Hinrichtung.
Abb: Mahnmal der Geschwister Scholl und für die Weiße Rose, Ludwig-Maximilians-Universität, München. Foto: Amrei-Marie, 2016. Wikimedia Commons