Vorpfingstlich

Kürzlich war ich an der Amtseinsetzung einer Pfarrerin, die als Seelsorgerin in einem Bundesasylzentrum arbeitet. Obwohl es sich um eine reformierte Feier handelte, fand sie in der katholischen Kirche statt. Dies, weil sich das Asylzentrum in der Nähe befindet und es damit besser möglich war, dass die Bewohner:innen teilnehmen konnten. So waren wir eine Gemeinschaft von Menschen aus Eritrea, Iran, Schweiz und vielen anderen Nationen.
Der biblische Text wurde von mehreren Personen in ihrer jeweiligen Sprache vorgelesen. Am Fürbittegebet nahm auch die muslimische Seelsorgekollegin teil. Natürlich betete sie in ihrer Tradition und las auch eine Sure aus dem Koran vor.

Die Feier war eine Momentaufnahme. Sie tilgt die Unterschiede zwischen Menschen in ihrer kulturellen und religiösen Prägung nicht. Wer die Welt der Bundesasylzentren kennt, weiss, dass das Zusammenleben extrem anspruchsvoll ist und es auch zu Konflikten kommt.

Dennoch sind solche Feiern wichtige Zeichen. Sie machen deutlich: In aller Unterschiedlichkeit sind wir Menschen mit denselben Grundbedürfnissen. Wir möchten gesehen und gehört werden. Wir möchten Respekt, Annahme und Nähe erleben. Und in unseren Religionen geht es um eine gemeinsame Ahnung, die unterschiedlich Gestalt angenommen hat: dass unsere Existenz in ein grosses universelles Geheimnis eingebunden ist.

Am Sonntag ist Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes. Nach christlichem Verständnis ist Gott in diesem oft unfassbaren Geist in der Welt gegenwärtig. Und in der Erfahrung des Christentums hilft der Geist immer neu, über alle Grenzen hinweg aufeinander zuzugehen, uns als Mitmenschen wahrzunehmen.

So war diese vielgestaltige reformierte Amtseinsetzung in einer katholischen Kirche durchaus ein vorpfingstliches Ereignis.

Abb: Auswahl religiöser Symbole. Quelle: Freepik