Wandlung
Am Sonntag habe ich mich nach langer Gartenarbeit erhitzt und erschöpft in einen Gartenstuhl gesetzt und seine hohe Lehne zurückgeklappt. Ich wollte meine Augen zu machen, aber dann hatte ich eine Wolke im Blick. Wolken bestehen aus Wasser, aber darüber denkt man nicht nach, wenn man Wolken sieht.
Die Wolke über mir war für mich ein kleines, niedliches Etwas – kein Elefant oder Krokodil oder Schiff, nichts was ich genau benennen könnte, aber mein Blick ist hängengeblieben an der Gestalt. Ich wusste, dass sie nicht bleiben wird und nicht bleiben, was sie ist, aber ich habe es doch bedauert, als das Etwas begann sich zu verformen. Langsam ist das kleine Etwas übergegangen in einen Wurm mit Kopf, der über den Himmel gekrochen ist, dann hat er sich geteilt in vier Wattebällchen, die langsam auseinandergeschwebt sind. Vor meinen Augen hat sich schnelle Wandlung vollzogen und jeder Moment war schön.
Mir ist neulich eine Einladung zu einer Maturfeier ins Haus geflattert:
«40 Jahre sind eine lange Zeit, in der Ihr wohl viel erlebt habt. Wir alle haben uns entwickelt und verändert, niemand ist noch der oder die «Alte» von damals.»
Mein Mitschüler von damals hat vorausschauend geschrieben. Niemand, der zu einer Maturfeier geht, möchte darauf festgelegt sein, wie er oder sie früher einmal war, trotz aller «Weisst Du Nochs». Oft genug will man nicht einmal auf das Ich von gestern festgelegt sein. Ich bin eine andere geworden, das sagt mir nicht nur der Blick in den Spiegel.
Mit grosser Wahrscheinlichkeit ist jeder Mensch aus meinem Bekanntenkreis von einem Treffen zum anderen Treffen ein bisschen verwandelt. Und es ist an mir, das Schöne, das Neue zu entdecken und mich darüber zu freuen.