Wann reden Gold ist

Ein mächtiger, von Schmerzen geplagter Herrscher rief einen Mann Gottes zu sich, von dem es hieß, er besitze starke heilende Kräfte. Er bat ihn inständig, ihm zu helfen. «Gott wird Euch heilen», sagte der Priester. «Doch zuvor, verehrter König, wollen wir versuchen, Grund und Ursache ihrer Schmerzen zu verstehen. Die Beichte nämlich hilft dem Menschen, seinen Problemen ins Gesicht zu schauen und so die innere Ordnung wieder herzustellen.» Also begann der Priester, den Herrscher über sein Leben auszufragen, angefangen damit, wie er denn mit sich selbst, seinen Nächsten und seinen Untertanen umginge. Auch wollte er wissen, welche Sorgen und Probleme ihm seine Regentschaft bereiten würde. Der König, der es ablehnte, über seine Probleme nachzudenken, wandte sich leicht aufgebracht an den Mann Gottes: «Darüber möchte ich nicht sprechen. Bitte bringt mir jemanden her, der mich heilt, ohne mir Fragen zu stellen.» Der Priester verabschiedete sich höflich und kam eine Stunde später mit einem anderen Mann zurück. «Majestät, hier habt Ihr, was Ihr braucht. Mein Freund ist Tierarzt. Er redet nicht mit seinen Patienten.»

Wir wissen, hinter so manchen körperlichen Symptomen, Beschwerden und Krankheiten verbergen sich ungelöste seelische Probleme. Solange diese unter Verschluss gehalten, verleugnet oder verdrängt werden, wird Heilung nur schwer möglich sein. Ob Beichte, Psychotherapie oder Seelsorge – alle beide möchten es Menschen ermöglichen, ihre inneren Wunden, Knoten und Konflikte im vertraulichen Gespräch darzulegen, anzuschauen und, wenn immer möglich, zu lösen oder wenigstens in Teilen zu heilen.

Bildquelle: wikimedia commons, Henri Matisse, Die Trauer des Königs