Was für ein Theater

Noch bis Ende dieser Woche wird in Einsiedeln das „Welttheater“ aufgeführt. Seit 1924 spielen alle paar Jahre hunderte von Menschen dieses christlich-mythologische Drama des Barockdichters Pedro Calderón de la Barca. Ums Jahr 2000 wurde deutlich, dass sein Inhalt nicht mehr ohne Weiteres in die Gegenwart passt. Im Originaltext erhält jeder Mensch vom Schöpfer seine Rolle zugewiesen. König ist König, Bettler bleibt Bettler. Die ausgleichende Gerechtigkeit kommt erst nach dem Tod.

Das ist nicht mehr unser Weltbild. Wir können etwas aus uns machen, das Leben in unsere Hand nehmen. Und längst spielen wir unterschiedliche Rollen nebeneinander. Nicht Schicksalsergebenheit ist unser Motto, sondern Selbstoptimierung.

Deshalb sind es heute zeitgenössische Autor:innen, die eine moderne Fassung des Welttheaters schreiben. Dieses Jahr Lukas Bärfuss.

Bei ihm ist es kein Schöpfer, der die Rollen vorgibt, sondern der Autor. Und deren Träger:innen nehmen ihr Schicksal nicht einfach hin. Da wird gegen Rollen gekämpft und der Aufstand geprobt. Aber: Unter dem Strich ändert sich nichts. Denn wer einmal Macht hat, gibt sie nicht freiwillig wieder her. Und dem Armen, der den Kirchenschatz geplündert hat, wird seine Beute schnell entrissen. Bärfuss’ Blick auf unsere Zeit ist ernüchternd.

Es ist schon so: Die Startbedingungen unseres Lebens bestimmen wir nicht, aber sie bestimmen uns wesentlich. Und es ist kein Gott, der uns in diese Situation gestellt hat. Aber ist der Spielraum, der uns innerhalb unserer Ausgangssituation gegeben ist, nicht grösser denn je? Und muss es so sein, dass sich dann doch nichts ändert?

Und welche Rolle spielt Gott noch? Vielleicht die der inspirierenden Kraft, die uns unseren Spielraum entdecken lässt und uns Kreativität und Mut gibt, diesen zu nutzen – und manchmal gar auszuweiten? Man sollte – christlich gesprochen – die Wirkgrenzen des Heiligen Geistes nicht zu eng glauben.

Abb: Das grosse Welttheater aufgeführt in Einsiedeln (Schweiz); 1935. Archiv Welttheaterverein Einsiedeln. Foto: Wilhelmine Marthaler