Was habe ich dir getan?
«Als Elija von dort weggegangen war, traf er Elischa, den Sohn Schafats. Er war gerade mit zwölf Gespannen am Pflügen und er selbst pflügte mit dem zwölften. Im Vorbeigehen warf Elija seinen Mantel über ihn. Sogleich verliess Elischa die Rinder, eilte Elija nach und bat ihn: Lass mich noch meinem Vater und meiner Mutter den Abschiedskuss geben; dann werde ich dir folgen. Elija antwortete: Geh, kehr um! Denn was habe ich dir getan?» (1. Könige 19, 19+20)
Dieser Bibeltext erzählt, wie der Profet Elija seinen Nachfolger Elischa beruft. Eine eigentümliche Szene voller dramatischer Kraft: Dieser Mantel, der Elischa übergeworfen wird! Eine Symbolhandlung, durch die der junge Mann sofort versteht, dass sein Leben eine unumkehrbare Wende nimmt. Da wird ein Mensch im Auftrag Gottes aus allen seinen Bezügen gerissen, weg von seinen Eltern und seiner Arbeit.
In der damaligen israelitischen Welt war das ein Skandal. Denn mit diesem Bruch droht Elischa, seinen Eltern die Existenzgrundlage zu entziehen, v.a., weil er – wie einen Vers später erzählt wird – die Rinder schlachtet. Die Eltern verlieren nicht nur den Sohn, sondern Arbeitskraft, die ihr Überleben im Alter garantiert. Kein Wunder, kommentiert Elija das Geschehen mit dem Satz «Was habe ich dir getan?» «Angetan» könnte man auch sagen…
Es ist eine romantische Vorstellung, der Gottesglaube biete einem ein gutes und gelingendes Leben in Frieden und Harmonie. Gerade die biblischen Erzählungen über Profetengestalten, aber auch die Zeugnisse über den Apostel Paulus oder die Jünger Jesu sprechen eine andere Sprache: Die Berufung durch Gott ist Herausforderung. Oft führt sie zu Ablehnung, Verfolgung und Gewalt.
Der Text erinnert daran, dass der biblische Gott nichts Stromlinienförmiges ist und sich reibungslos in unser Leben fügt. Er ist immer auch fremd und sperrig.
Abb: Jan Massys, Elia beruft Elisa zum Prophetenschüler, 16. Jh, Antwerpen. Quelle: RDK Labor